Keine Auflösung der GbR bei Kündigung auch ohne Fortführungsklausel nach dem ab de, 01.01.2024 geltenden Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG)
Fortgeltungsverlangen als sinnvoller Weg bis zum 31.12.2024
Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) stellt die größte Veränderung im Personengesellschaftsrecht seit Jahrzehnten dar.
Bisher führt die Kündigung eines GbR-Gesellschafters zur Auflösung der GbR, wenn keine Fortführungsklausel im Gesellschaftsvertrag geregelt ist. Dann war die GbR als GbR i.L. zu liquidieren, z.B. Grundstücke oder sonstiges Vermögen zu versteigern, und ein verbleibender Überschuss war an die Gesellschafter auszukehren. Die Auflösungskündigung stellte somit eine Chance dar, eine GbR zum echten wirtschaftlichen Wert zu verlassen.
Für Minderheitsgesellschafter ist es seit dem 01.01.2024 schwieriger, die Mitgesellschafter durch eine Auflösungskündigung mit der Folge einer wertevernichtenden Zwangsversteigerung des Gesellschaftsvermögens unter Druck zu setzen. Es verbleibt nur die Austrittskündigung bei Fortführung der GbR, welche als Druckmittel weniger geeignet ist, da nur auf eine angemessene Abfindung geklagt werden kann.
Für Minderheits-GbR-Gesellschafter von (Grund-)Besitz-GbRs mit Streitigkeiten im Gesellschafterkreis kann es daher sehr sinnvoll sein, nach ebenfalls zum 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Art. 229 § 61 EGBGB bis zum 31.12.2024 ein sogenanntes Fortgeltungsverlangen zu stellen. Dieses führt dann zu einer zeitlich unbegrenzten Fortgeltung der §§ 723-728 BGB a.F. Das Fortgeltungsverlangen ist zudem nur möglich, wenn es zeitlich vor dem Eintritt eines Auflösungs- oder Ausscheidensgrunds eintritt. Es ist somit Eile geboten, wenn die Mitgesellschafter ein Ausscheiden des Minderheitsgesellschafters z. B. durch die Einberufung einer entsprechenden Gesellschafterversammlung vorbereiten.
Wesentliche gesetzliche Neuerungen im Bereich
• der Vorstandsvergütung,
• der Organisation von Vorstand und Aufsichtsrat sowie
• der Rechte der Aktionäre.
Inhaltsverzeichnis:
A. Änderungen im Bereich der Vergütung von Vorständen
1. Festsetzung der Vorstandsbezüge
2. Herabsetzung der Vorstandsbezüge
3. Selbstbehalt der Vorstandsmitglieder bei D&O-Versicherungen
4. Zuständigkeit für die Festsetzung der Vorstandsbezüge
5. Haftung der Aufsichtsratmitglieder für unangemessene Vorstandsbezüge
6. Billigung des Vergütungssystems durch die Hauptversammlung
7. Offenlegung von zugesagten Leistungen bei Beendigung der Tätigkeit
B. Änderungen bei Zusammensetzung, Anforderungen und Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat
1. Karenzzeit bei Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat
2. Sachkunde auf dem Gebiet Rechnungslegung / Abschlussprüfung
3. Einrichtung eines Prüfungsausschusses
4. Änderungen bei der Entsprechenserklärung zum DCGK
C. Änderungen bei Einberufung und Ablauf der Hauptversammlung sowie im Bereich der Aktionärsrechte
1. Neuregelung des Fristensystems
2. Ergänzungsanträge zur Tagesordnung
3. Anmeldung zur Teilnahme oder zur Ausübung des Stimmrechtes
4. Berechtigungsnachweis bei Inhaberaktien
5. Einsichtnahmemöglichkeiten im Internet
6. Elektronische Kommunikation, Briefwahl, Bild- und Tonübertragung
7. Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse im Internet
8. Stimmrechtsvollmacht
9. Zuständigkeit und Ablauf des Freigabeverfahrens
10. Einsichtnahme in Anfechtungsverfahren
11. Abfindungsverzinsung bei Squeeze-Out-Verfahren
A. Änderungen im Bereich der Vergütung von Vorständen
Aufgrund der Änderung des Aktiengesetzes (AktG) durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) sowie den Deutschen Corporate Governance Kodex
(DCGK) ergeben sich eine Reihe von zu beachtenden Neuerung im Bereich der Vorstands-vergütung, welche im Folgenden kurz dargestellt werden sollen.
1. Festsetzung der Vorstandsbezüge, § 87 Abs. 1 AktG
Neben dem bislang geltenden Leitlinien für die Festsetzung der Vorstandsvergütung wurde als Bezugspunkt für das Angemessenheitsgebot – neben den Aufgaben des
Vorstandsmitglieds und der Lage der Gesellschaft – die Leistungen des Vorstandsmitglieds in den Gesetzeswortlaut aufgenommen. Besondere Fähigkeiten und Kenntnisse sowie überragende Leistungen
fanden zwar bereits regelmäßig auch in der Vergangenheit Eingang in die Vergütungsfindung, jedoch hält nun auch der DCGK den Aufsichtsrat an, die Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder
auf Grundlage einer Leistungsbeurteilung im Einzelfall festzulegen.
Darüber hinaus dürfen die Gesamtbezüge des Vorstandsmitglieds die übliche Vergütung ohne besondere Gründe nicht übersteigen. Der Begriff „Üblichkeit“ bemisst sich
laut Gesetzesbegründung nach Branche, Unternehmensgröße und Landesüblichkeit (horizontale Vergleichbarkeit). Es sind aber auch die Lohn- und Gehaltsgefüge des Unternehmens (vertikale
Vergleichbarkeit) heranzuziehen. Insbesondere soll darauf geachtet werden, dass die Vergütungsstaffelung im Unternehmen beim Vorstand nicht Maß und Bezug zu dem Vergütungssystem im Übrigen
verliert.
Marktunübliche Vergütungen bedürfen daher einer plausiblen Begründung durch den Aufsichtsrat. Es empfiehlt sich zu dokumentieren, dass sich der Aufsichtsrat der
Angemessenheit der Vergütung vergewissert.
Bei börsennotierten Aktiengesellschaften ist die Vergütungsstruktur darüber hinaus auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten, was zur Folge hat, dass
sich variable Vergütungsbestandteile zukünftig an einer zumindest dreijährigen Bemessungsgrundlage orientieren sollen. Denkbare Vertragsgestaltungen wären hier beispielsweise Bonus-Malus-Systeme
oder Performancebetrachtungen über die Gesamtlaufzeit.
2. Herabsetzung der Vorstandsbezüge, § 87 Abs. 2 AktG
Im Gegensatz zu den bisher geltenden Regelungen für die Herabsetzung der Vergütung der Vorstände sind keine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen
Verhältnisse der Gesellschaft und eine hieraus folgende schwere Unbilligkeit der Weitergewährung der Bezüge mehr erforderlich.
Der Aufsichtsrat soll die Bezüge nunmehr herabsetzen, wenn sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung derart verschlechtert, dass eine Weitergewährung der
Vergütung in unveränderter Höhe für die Gesellschaft unbillig wäre. Die bisherige „Kann-Vorschrift“ ist also zur „Soll-Vorschrift“ geworden und wurde damit deutlich verschärft.
Zur Haftungsvermeidung trifft den Aufsichtsrat eine kontinuierliche Beobachtungs- und Prüfungsobliegenheit hinsichtlich der Vorstandsvergütung, die sich bei Eintritt
der Gesellschaft in eine „Krisensituation“ zur Pflicht verdichtet.
Als Folge der Herabsetzung der Bezüge können Vorstandsmitglieder das Anstellungsverhältnis zum Schluss des nächsten Kalendervierteljahres mit einer Frist von sechs
Wochen kündigen.
Bei Ruhegehältern, Hinterbliebenenbezügen und Leistungen verwandter Art ist – abweichend von den bisherigen Regelungen – eine Herabsetzung auch in den ersten drei
Jahren nach dem Ausscheiden eines Vorstandsmitgliedes noch möglich.
3. Selbstbehalt der Vorstandsmitglieder bei D&O-Versicherungen, § 93 Abs. 2 S. 3 AktG
Für Vorstände ist in der D&O-Versicherung künftig ein Selbstbehalt von mindestens 10 v.H. des Schadens bis mindestens zur Höhe von 1,5 Jahresgehältern
(Fixgehalt) verpflichtend vorzusehen.
Die Vorschrift soll die persönliche Verpflichtung und Verantwortung des Vorstandes nach § 76 Abs. 1 AktG unterstreichen, das Unternehmen mit der Sorgfalt eines
ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu leiten. Dabei soll insbesondere durch die Haftung mit dem Privatvermögen etwaigen Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern präventiv
ent-gegengewirkt werden.
Ein Verbot, den Selbstbehalt privat zu versichern, ist im Gesetz oder dessen Begründung indes nicht vorgesehen. Die Prämien für diese Versicherung wären jedoch
unmittelbar aus dem privaten Vermögen des Vorstandsmitgliedes zu zahlen.
Gemäß § 23 Abs. 2 EGAktG ist bei laufenden D&O-Verträgen die Anpassung der Verträge bis zum 30.06.2010 vorzunehmen. Besteht aus einem laufenden
Anstellungsvertrag ein An-spruch des Vorstandes gegen die Gesellschaft auf eine selbstbehaltfreie Versicherung, so bleibt diese Verpflichtung bis zum vorgesehenen Ablauf des Vorstandsvertrages
bestehen.
4. Zuständigkeit für die Festsetzung der Vorstandsbezüge, § 107 Abs. 3 S. 3 AktG
Aufgrund der Änderung des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG kann der Aufsichtsrat künftig die Festsetzung und Herabsetzung der Vorstandsbezüge nicht auf den Vorstandsausschuss
delegieren. Für die Festsetzung der Vergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder ist zukünftig zwingend der Aufsichtsrat als Plenum zuständig.
Der Vorstandsausschuss kann hinsichtlich aller wesentlichen Vergütungsentscheidungen damit nur noch vorbereitend tätig werden. Hinsichtlich weniger bedeutender
Fragen der Vergütung, des Abschlusses der Anstellungsverträge und sonstiger Personalthemen bleibt die Möglichkeit der Delegation auf den Ausschuss aber unberührt.
5. Haftung der Aufsichtsratmitglieder für unangemessene Vorstandsbezüge,
§ 116 S. 3 AktG
Gemäß § 116 S. 3 AktG sind die Aufsichtsratsmitglieder zum Schadenersatz verpflichtet, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen. Diese Neuregelung ist
letztlich rein deklaratorischer Natur. Nach §§ 116, 93 AktG haftet bereits jetzt jedes Aufsichtsratsmitglied für einen schuldhaften Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen
Aufsichtsrates. Durch die Ergänzung soll lediglich die Sorgfaltspflicht der Aufsichtsräte bei der Vergütungsfestsetzung besonders hervorgehoben und deutlich gemacht werden, dass der Aufsichtsrat
bei Verstößen in diesem Zusammenhang persönlich haftet.
6. Billigung des Vergütungssystems durch die Hauptversammlung, § 120 Abs. 4 AktG
Die Hauptversammlung einer börsennotierten Aktiengesellschaft kann künftig unverbindlich über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder
beschließen. Der Beschluss begründet jedoch weder Rechte noch Pflichten. Die Beschlüsse sind nach § 243 AktG nicht anfechtbar.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Beschlussfindung entweder von der Verwaltung vorgeschlagen wird oder Aktionäre, deren Anteile zusammen 20 v.H. des Grundkapitals
ausmachen oder den anteiligen Betrag von € 50.000,00 erreichen, dieses verlangen.
Diese Neuregelung gilt gemäß § 23 Abs. 3 EGAktG jedoch nur für Hauptversammlungen, die nach dem 05.08.2009 einberufen werden.
7. Offenlegung von zugesagten Leistungen bei Beendigung der Tätigkeit, §§ 285 Nr. 9 a) S. 6, 314 Abs. 1 Nr. 6 a) S. 6 HGB
Im Rahmen der Jahres- und Konzernabschlüsse sind bei börsennotierten Gesellschaften auch Leistungen, die einem Vorstandsmitglied für die vorzeitige und die reguläre
Beendigung seiner Tätigkeit zugesagt wurden, offen zu legen. Dies gilt auch für etwaige während des Geschäftsjahres vereinbarte Änderungen.
Offenzulegen sind darüber hinaus Leistungen, die einem früheren Vorstandsmitglied im Zusammenhang mit der Beendigung seiner Tätigkeit im laufenden Geschäftsjahr
zugesagt worden sind.
B. Änderungen bei Zusammensetzung, Anforderungen und Aufgaben von Vor-stand und Aufsichtsrat
Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) sowie das Bilanz-rechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) führen ebenso wie der Deutschen Corporate
Governance Kodex (DCGK) zu einigen gesellschaftsrechtlichen Änderungen im Bereich der Vorstände und Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften, welche im folgenden Abschnitt erläu-tert werden
sollen.
1. Karenzzeit bei Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat, § 100 Abs. 2 Nr. 4 AktG
Bei börsennotierten Aktiengesellschaften wurde für den Wechsel vom Vorstand in den Auf-sichtsrat eine Karenzzeit von zwei Jahren eingeführt. Dies gilt nur dann
nicht, wenn die Wahl des neuen Aufsichtsratmitgliedes auf den Vorschlag von Aktionären erfolgt, die 25 v.H. der Stimmrechte an der Gesellschaft halten.
2. Sachkunde auf dem Gebiet Rechnungslegung / Abschlussprüfung, § 100 Abs. 5 AktG
Insbesondere mit dem BilMoG werden einzelne Überwachungsaspekte, die bereits heute vom allgemeinen Überwachungsauftrag des Aufsichtsrates umfasst sind, stärker in
den Vordergrund gerückt und konkretisiert.
Der Aufsichtsrat einer kapitalmarktorientierten, nicht zwingend börsennotierten, Gesellschaft im Sinne des § 264d HGB muss daher ab sofort über mindestens ein
unabhängiges Mitglied verfügen, welches den erforderlichen Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung vorweisen kann.
Von Sachkunde kann laut Gesetzesbegründung dabei nicht nur bei Angehörigen der steuer-beratenden oder wirtschaftsprüfenden Berufe ausgegangen werden, sondern
beispielsweise auch bei Finanzvorständen, fachkundigen Mitarbeitern aus den Bereichen Rechnungswesen und Controlling, Analysten sowie bei langjährigen Mitarbeitern in Prüfungsausschüssen oder
Betriebsräten.
Das Merkmal der Unabhängigkeit gilt als erfüllt, wenn das Aufsichtsratmitglied in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren
Vorstand steht, die einen Interessenkonflikt begründen könnte.
3. Einrichtung eines Prüfungsausschusses, § 107 Abs. 3 S. 2 AktG
Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, in deren Aufsichtsrat kein Mitglied die Voraus-setzungen des § 100 Abs. 5 AktG erfüllt, sowie solche Gesellschaften,
die nicht über einen Aufsichts- oder Verwaltungsrat verfügen, müssen zukünftig einen Prüfungsausschuss ein-richten. Die anderen Unternehmen können einen solchen einrichten.
Die Aufgaben des Prüfungsausschusses umfassen die Überwachung des Rechnungsle-gungsprozesses, der Wirksamkeit des unternehmensweiten internen Kontrollsystems, des
internen Risikomanagementsystems sowie der internen Revisionssysteme und der Ab-schlussprüfung, insbesondere der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der vom Prüfer zusätzlich erbrachten
Leistungen.
Sofern ein Prüfungsausschuss eingerichtet wird, muss wiederum mindestens ein Mitglied des Ausschusses über Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung oder
Ab-schlussprüfung verfügen (§ 107 Abs. 4 AktG). Insofern gilt das zuvor unter Punkt 2. bereits Ausgeführte.
Der Vorsitzende sollte nach Ziffer 5.3.2. DCGK unabhängig und kein ehemaliges Vor-standsmitglied der Gesellschaft sein, dessen Bestellung zum Vorstand vor weniger
als zwei Jahren endete.
4. Änderungen bei der Entsprechenserklärung zum DCGK, § 161 AktG
Sowohl börsennotierte Gesellschaften als auch solche Unternehmen, die andere Wertpapiere als Aktien zum Handel im organisierten Markt zugelassen haben und deren
Aktien auf eigene Veranlassung gleichzeitig über ein multilaterales Handelssystem in Deutschland gehandelt werden, haben nicht nur die bisher bereits gesetzlich vorgesehene Entsprechenserklärung
abzugeben, sondern auch Gründe für eine eventuelle Abweichung vom DCGK anzugeben.
Die Entsprechenserklärung ist auf der Internetseite der Gesellschaft dauerhaft öffentlich zugänglich zu machen.
C. Änderungen bei Einberufung und Ablauf der Hauptversammlung sowie im Bereich der Aktionärsrechte
Das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) hat zu einer Reihe von Neuerungen insbesondere im Hinblick auf die Einberufung und den Ablauf der
Hauptversammlung geführt. Die wichtigsten sollen im Folgenden kurz beleuchtet werden.
1. Neuregelung des Fristensystems, § 121 Abs. 7 AktG
Zur Erleichterung der Berechnung der Fristen und Termine im Zusammenhang mit der Ein-berufung der Hauptversammlung wird nicht mehr auf das BGB verwiesen, sondern ein
ver-einfachtes Fristeninstrumentarium eingeführt.
Bei Fristen und Terminen, die von der Versammlung zurückberechnet werden, ist der Tag der Versammlung nicht mitzurechnen. Dies gilt auch für die Einberufungsfrist.
Nach § 123 Abs. 1 S. 2 AktG kann die Einberufung nur bis zum Ablauf des 31. Tages vor der Versammlung erfolgen.
Auch der Sonn- und Feiertagsschutz des BGB wird aufgegeben. Eine Verlegung von einem Sonnabend oder einem Feiertag auf einen zeitlich vorausgehenden oder
nachfolgenden Werktag ist ausgeschlossen. Die §§ 187 bis 193 BGB sind nicht entsprechend anzuwenden.
Nicht börsennotierte Unternehmen können jedoch andere Fristenberechnungen bzw. Feiertagsregelungen in der Satzung festlegen.
2. Ergänzungsanträge zur Tagesordnung, § 122 Abs. 2 AktG
Nachdem es bislang keine klaren Regelungen gab, bis wann ein Minderheitsverlangen bei der Gesellschaft eingegangen sein muss, ist dies nun in § 122 Abs. 2 AktG
kodifiziert.
Bei nicht börsennotierten Unternehmen müssen etwaige Ergänzungsanträge 24 Tage vor der Hauptversammlung zugehen, während die Frist bei börsennotierten Unternehmen 30
Tage beträgt.
Die eingegangen Ergänzungsanträge sind den Aktionären in der Einberufung bzw. unverzüglich nach Zugang des Ergänzungsverlangens bekanntzumachen, § 124 Abs. 1
AktG.
3. Anmeldung zur Teilnahme oder zur Ausübung des Stimmrechtes, § 123 Abs. 2 AktG
Die Satzung kann die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung der Stimm-rechte davon abhängig machen, dass Aktionäre sich mindestens sechs Tage vorher
anmelden, wobei zur Fristwahrung der Zugang der Anmeldung bei der Gesellschaft entscheidend ist.
In der Satzung kann auch eine kürzere, in Kalendertagen zu bemessende Frist vorgesehen werden.
4. Berechtigungsnachweis bei Inhaberaktien, § 123 Abs. 3 AktG
Bei Inhaberaktien kann die Satzung bestimmen, wie die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen
ist.
Bei börsennotierten Gesellschaften reicht ein in Textform erstellter besonderer Nachweis durch die depotführende Bank aus. Der Nachweis hat sich bei börsennotierten
Aktiengesellschaften auf den Schluss des 22. Tages vor Beginn der Versammlung zu beziehen und muss der Gesell-schaft mindestens sechs Tage vor der Versammlung zugehen.
In der Satzung kann auch eine kürzere, in Tagen zu bemessende Frist vorgesehen werden. Der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen.
5. Einsichtnahmemöglichkeiten im Internet, § 124a AktG
Die Regelung des § 124a AktG baut die Internetseite des Unternehmens zum zentralen Me-dium des Informationsaustausch voraus.
Bei börsennotierten Gesellschaften sind folgende Unterlagen alsbald nach der Einberufung der Hauptversammlung auf der Internetseite zugänglich zu
machen:
• Inhalt der Einberufung.
• Erläuterungen, wenn zu einem Gegenstand der Tagesordnung kein Beschluss gefasst werden soll.
• Pflichtunterlagen für die Hauptversammlung.
• Gesamtzahl der Aktien und Stimmrechte im Zeitpunkt Einberufung. Bestehen verschiedene Aktiengattungen, sind diese gesondert auszuweisen.
• Gegebenfalls Formulare, wenn deren Verwendung bei der Stimmabgabe durch Vertretung oder mittels Briefwahl vorgeschrieben ist, sofern diese den Aktionären nicht
direkt übermittelt werden.
• Ergänzungsverlangen einer Minderheit nach § 122 Abs. 2 AktG.
Ein Verstoß gegen diese Pflichten ist nach § 405 Abs. 3a Nr. 2 AktG mit Bußgeld bedroht, nicht jedoch mit Beschlusskassation.
Die bisherigen Auslegungs- und Übersendungspflichten für zahlreiche Unterlagen entfallen somit, wenn die Unterlagen vor und während der Hauptversammlung elektronisch
eingesehen werden können. In der Hauptversammlung kann die Papierform durch bereitgestellte Computerterminals ersetzt werden.
6. Elektronische Kommunikation, Briefwahl, Bild- und Tonübertragung, § 118 AktG
Die Satzung kann vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen vorzusehen, dass Aktionäre sämtliche oder einzelne Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation
ausüben können, ohne an der Hauptversammlung persönlich teilzunehmen. Ebenso kann vorgesehen werden, dass nicht anwesende Aktionäre ihre Stimme schriftlich abgeben dürfen.
Ferner bleiben Satzungsregelungen weiter zulässig, die die Entscheidung der Bild- und Tonübertragung dem Versammlungsleiter überlassen.
7. Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse im Internet, § 130 Abs. 2 und 6 AktG
Innerhalb von sieben Tagen nach der Hauptversammlung müssen die festgestellten Ab-stimmungsergebnisse auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlicht
werden.
Bei börsennotierten Aktiengesellschaften hat die Beschlussfeststellung
• die Zahl der Aktien, für die gültigen Stimmen abgegeben wurden,
• den Anteil des durch gültigen Stimmen vertretenen Grundkapitals,
• sowie die Zahl der gültigen Ja- und Nein-Stimmen, sowie ggf. Enthaltungen zu ent-halten.
Abweichend hiervon kann sich die Beschlussfassung darauf beschränken, dass die erforderliche Mehrheit erreicht wurde, falls kein Aktionär eine umfassende
Feststellung verlangt.
8. Stimmrechtsvollmacht, § 134 Abs. 3 S. 2 AktG
Die Bevollmächtigung mehrerer Personen bei der Stimmrechtesvollmacht wird ausdrücklich erlaubt. Die Gesellschaft kann aber eine oder mehrere dieser Personen
zurückweisen.
Die Erteilung der Vollmacht bedarf der Textform, wenn in der Satzung oder in der Einberufung aufgrund Ermächtigungen in der Satzung nichts Abweichendes bestimmt ist.
Bei börsennotierten Gesellschaften dürfen nur Erleichterungen von der Textform in der Satzung bestimmt sein. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Satzung von nicht börsennotierten
Gesellschaften auch ein strengeres Formerfordernis vorsehen kann.
Außerdem haben börsennotierte Gesellschaften zumindest einen Weg elektronischer Kommunikation für die Übermittlung des Nachweises anzubieten.
9. Zuständigkeit und Ablauf des Freigabeverfahrens, §§ 246a, 319 AktG
Das Freigabeverfahren gibt bei Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse über Kapitalmaßnahmen oder Unternehmensverträge die Möglichkeit, eine gerichtliche Freigabe
strukturändern-der Beschlüsse zu erreichen, bevor Anfechtungsklagen rechtskräftig entschieden sind. Hier-mit sollen missbräuchliche Aktionärsklagen verhindert werden.
Für die Freigabeverfahren sind zukünftig in erster und einziger Instanz die Oberlandesgerichte zuständig. Ausgeschlossen ist dabei die Übertragung der Entscheidung
auf den Einzelrichter. Zudem wird die Durchführung einer Güteverhandlung abweichend von § 278 Abs. 2 ZPO freigestellt.
Ein Freigabebeschluss ergeht ohne Interessenabwägung zukünftig nicht nur dann, wenn die Klage unzulässig und offensichtlich unbegründet ist, sondern auch, wenn der
Kläger nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Antrages durch Urkunden nachweist, dass er seit Bekanntmachung der Einberufung einen Aktienbesitz im Nennwert von € 1.000,00 hält.
Die Freigabe soll weiterhin erfolgen, wenn das alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die vom Antragsteller dargelegten
wesentlichen Nachteile für Gesellschaft und ihre Aktionäre die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt ein schwerer Rechtsverstoß vor. Die Beweislast für die Schwere des
Verstoßes trägt der Antragsgegner. Wesentliche Nachteile auf Seiten der Gesellschaft sind alle nicht vernachlässigbaren Nachteile, auch die Kosten der Wiederholung der Hauptversammlung,
Zinseffekte etc.
10. Einsichtnahme in Anfechtungsverfahren, § 246 Abs. 3 S. 5 AktG
Die Gesellschaft kann unmittelbar nach Ablauf der Anfechtungsfrist und noch für deren Zustellung in Anfechtungsklagen einsehen und sich Abschriften erteilen lassen.
So soll es den Unternehmen ermöglicht werden, Freigabeschriftsätze bereits vor Zustellung der Anfechtungsklagen vorzubereiten.
11. Abfindungsverzinsung bei Squeeze-Out-Verfahren, §§ 320b Abs. 1, 327 Abs. 2 AktG
Die Abfindungsverzinsung bei Squeeze-Out-Verfahren wird von 2% über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz erhöht.
Dr. Sven Claussen, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht