Auseinandersetzungen zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern oder unter ihren Gesellschaftern gefährden häufig den Fortbestand des Unternehmens. Die Beratung des betroffenen Gesellschafters erfordert große Erfahrung, da Zeitdruck und aufgeheizte Atmosphäre ein schnelles und wirksames Handeln erfordern.

Die gesetzlichen Regelungen und häufig auch die Gesellschaftsverträge sind für die Lösung dieser Streitfragen nur ungenügend. Insofern werden die bestehenden Lücken durch eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen gefüllt.

Insbesondere zu den Fragen der Ausschließung von Gesellschaftern, der Zwangsabtretung von Geschäftsanteilen, der Abberufung aus wichtigem Grund, der Versammlungsleitung, der entsprechenden Stimmverbote bei Beschlussfassungen, der Abfindung und der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote gibt es viele komplexe Streitfragen.

 

Die folgende Auflistung aktueller oder wichtiger Rechtsprechung kann hierzu nur einen kurzen Überblick geben:

 

1. Stimmverbot bei Bestellung eines besonderen Vertreters zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter

 

Das OLG München hat zur Frage des Stimmverbotes bei der Bestellung eines besonderen Vertreters zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter mit Urteil vom 23.02.2017 bestätigt, dass dieser einem Stimmverbot unterliegt. Es führte aus:

 

"Aus § 47 Abs. 4 GmbHG ergibt sich der Grundgedanke des Stimmverbots, dass ein Gesellschafter nicht Richter in eigener Sache sein darf. Der im Rahmen einer Beschlussfassung gemäß § 46 Nr. 8 1. Alt. GmbHG bestehende Stimmrechtsausschluss eines wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch zu nehmenden Gesellschafters gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 GmbHG das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft im Prozess gegen ihn vertreten soll. Das Stimmrecht in diesem Punkt auszuschließen, ist ebenfalls sachgerecht, weil von dem betroffenen Gesellschafter nicht erwartet werden kann, dass er einen Prozessvertreter auswählt und bestellt, der gegen ihn selbst die Interessen der Gesellschaft am entschiedensten vertritt (BGH, Urteil vom 20.01.1986 - II ZR 73/85 -, BGHZ 97, 28-37). Unter Anwendung dieser Grundsätze war der Nebenintervenient bei der Abstimmung über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihn selbst von der Abstimmung ausgeschlossen, so dass seine Stimmabgabe nicht zählte. Auf die Erfolgsaussichten des geplanten Vorgehens kommt es für den Stimmrechtsausschluss nicht an (BGH, Urteil vom 20.01.1986 - II ZR 73/85 -, BGHZ 97, 28-37)."
(OLG München, Urteil vom 23. Februar 2017 – 23 U 4888/15 –)

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Claussen: Dem Urteil des OLG München ist zuzustimmen. Beim Stimmverbot des Richtens in eigener Sache bei der Bestellung eines besonderen Vertreters zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber einem Gesellschafter kann es gerade nicht auf die Erfolgsaussichten des geplanten Vorgehens ankommen. Andernfalls hätte es ein Mehrheitsgesellschafter in der Hand, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen ihn als Gesellschafter zu verhindern.

 

2. Beschlussfeststellungskompetenz des Versammlungsleiters, der bei Stimmabgabe einem Stimmverbot unterliegt

 

Das OLG München hat mit Urteil vom 12.01.2017 – 23 U 1994/16  entschieden, dass ein Versammlungsleiter, der bei einer Beschlussfassung einem Stimmverbot unterliegt, dennoch den Beschluss feststellen kann. Es führte aus:

 

"Ob ein Versammlungsleiter bei einer unmittelbaren Selbstbetroffenheit durch den fraglichen Beschluss von einer verbindlichen Beschlussfeststellung ausgeschlossen ist, wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt (für einen Ausschluss Zöllner /Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl, Anh § 47 Rz. 120; Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, S. 1327, 1332 f; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl, § 48 Rz. 26; a.A. Werner, GmbHR 2006, S. 127, 129; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl, § 48 Rz. 17). Für die erstgenannte Ansicht spricht, dass auch die Beschlussfeststellung letztlich eine Ausübung von Entscheidungsbefugnissen darstellt. Mit der Feststellung ist der Beschluss, so wie vom Versammlungsleiter festgestellt, zumindest vorläufig wirksam und nur noch mit der Anfechtungsklage zu beseitigen. Wird die Anfechtungsfrist versäumt, bleibt der Beschluss - sofern kein Nichtigkeitsgrund vorliegt - wie festgestellt endgültig wirksam. Aus § 47 Abs. 4 GmbHG ist aber der allgemeine Grundsatz ableitbar, niemand solle „Richter in eigener Sache“ sein. Mithin lässt sich erwägen, dass dem Versammlungsleiter jedenfalls in Fällen, in denen er vom Beschluss unmittelbar betroffen und daher vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, auch die Beschlussfeststellungskompetenz fehlt (so auch der Senat noch im Urteil vom 29.01.2004, 23 U 3875/03, juris Tz. 57). Indessen hält der Senat an dieser Ansicht nicht mehr fest und schließt sich den Erwägungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 21.06.2010, II ZR 230/08 (juris Tz. 16 ff) an. Der Versammlungsleiter hat zwar Einfluss auf den Gang der Versammlung und die Feststellung des Beschlussergebnisses. Jedoch hat der Versammlungsleiter bei der Beschlussfeststellung - anders als bei einer Stimmabgabe in der Sache - gerade kein eigenes Ermessen, sondern ist an die gesetzlichen Regelungen, insbesondere § 47 Abs. 4 GmbHG, gebunden (BGH, a.a.O, Tz. 16). Verstößt er gegen diese, können die übrigen Gesellschafter die Wirksamkeit der festgestellten Beschlüsse durch Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklagen nachprüfen lassen. Damit werden die übrigen Gesellschafter auch nicht unzumutbar belastet (BGH, a.a.O, Tz. 18). Zudem wird die Frage, ob der Versammlungsleiter in der Sache tatsächlich einem Stimmverbot unterliegt, häufig unklar und umstritten sein. Hinge die Beschlussfeststellungskompetenz aber jeweils davon ab, ob ein Stimmverbot besteht, würde letztlich schon die prozessuale Frage nach der richtigen Klageart unnötig mit Unsicherheiten verbunden und letztlich mit der materiellen Frage nach dem Stimmrechtsausschluss wegen Richtens in eigener Sache vermengt (Bayer, a.a.O.)."
(OLG München, Urteil vom 12. Januar 2017 – 23 U 1994/16 – )

 

 

3.  Universalversammlung und Rügeverzicht, § 51 Abs. 3 GmbHG

 

Häufig kommt es zu Universalversammlungen /Vollversammlung, in denen grundsätzlich nach § 51 Abs. 3 alle Mängel der Einberufung sowie der Ankündigung der Tagesordnung geheilt werden. Eine Universalversammlung liegt vor, wenn alle teilnahmeberechtigten Gesellschafter anwesdend oder wirksam vertreten sind. Nach richtiger Auffassung wird zusätzlich ein zumindest konkludentes Einvernehmen mit der Beschlussfassung z.B. über nicht angekündigte Tagesordnungspunkte verlangt. Hierfür spricht, dass andernfalls einem nicht ordnungsgemäß geladenen Gesellschafter eine nicht angekündigte Beschlussfassung aufgedrängt werden, obwohl er sich nicht vorbereiten konnte. Wer zwar erschienen ist, aber der Durchführung der Gesellschafterversammlung oder einer Beschlussfassung ausdrücklich oder konkludent widerspricht, ist daher nicht „anwesend“ iSd Abs. 3 GmbHG, es liegt dann keine Universalversammlung vor. Wichtig ist, dass der Gesellschafter einer Beschlussfassung über einen nicht angekündigten Tagesordnungspunkt ausdrücklich widerspricht. Wenn er dennoch an der Beschlussfassung teilnimmt, muss er ausdrücklich geltend machen, dass er nur unter Protest vorsorglich abstimmt.

Der BGH hat hierzu mit Urteil vom 08.12.1997 ausgeführt:

 

"Müßte allein auf diesen Umstand abgestellt werden, wäre die Gesellschafterversammlung weder als Erstversammlung noch als Nachfolgeversammlung ordnungsgemäß einberufen worden. Die Beklagte hat jedoch vorgetragen, die Klägerin zu 1 habe an der Abstimmung zu TOP 1 und die frühere Klägerin zu 2 habe an der Abstimmung zu allen drei Tagesordnungspunkten teilgenommen. Zudem hätten sich beide an den Erörterungen der Gesellschafter zu sämtlichen Tagesordnungspunkten beteiligt. Ein solches Verhalten kann darauf hindeuten, daß beide Klägerinnen ihren Widerspruch gegen die Durchführung der Versammlung aufgegeben haben. Ob das vorbehaltlos geschehen ist, muß unter Würdigung ihres tatsächlichen Verhaltens festgestellt werden (vgl. dazu Hachenburg/Hüffer, GmbHG, 8. Aufl., § 51 Rdn. 29; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 51 Rdn. 43)."
(BGH, Urteil vom 08. Dezember 1997 – II ZR 216/96 –)

 

 

 

Welche Regelungen sind bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten üblich und wirksam!

 

In den Anstellungsverträgen von Vorstandsmitgliedern einer AG werden häufig Wettbewerbs-verbote für die Zeit nach dem Ausscheiden vereinbart. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind nur dann zulässig, wenn sie dem Schutz des berechtigten Interesses der Gesellschaft dienen und die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Vorstandsmitglieds nicht unbillig erschweren. Auf solche nachvertraglichen Wettbewerbsverbote sind die §§ 74 ff HGB nach der Leitentscheidung des BGH vom 26.03.1984, II ZR 229/83 = BGHZ 91, 5 aus dogamtischen Gründen nicht anwendbar, so dass nicht unbedingt eine Karenzentschädigung von 50 % der zuletzt bezogenen vertraglichen Leistungen zu zahlen ist. So sähe es nämlich § 74 Abs. 2 HGB vor. Trotzdem sollte eine Karenzentschädigung bei einem umfassendem Wettbewerbsverbot nach verbreiteter Auffassung 50 Prozent der Festbezüge betragen, obwohl nach der Rechtsprechung des BGH ein finanzieller Ausgleich auch in anderer Weise möglich sein dürfte. Eine Karenzentschädigung von 50 Prozent ist in den Formularhandbüchern allgemein üblich und dürfte „sicherlich ausreichend sein.“ Ein Betrag von 70 % liegt leicht über dem üblichen Rahmen, obwohl hierüber nach unserer Kenntnis keine statistischen Daten vorliegen. Ein Wettbewerbsverbot, welches das berufliche Fortkommen wegen fehlender oder zu niedriger Entschädigung unbillig erschwert, kann trotz einer entsprechenden Entschädigung gegen § 138 BGB („gute Sitten“) verstoßen. Eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung mit sehr weit definierten Schutzräumen („weltweit“, „in Europa“) wird nicht in jedem Fall durch eine entsprechende Karenzentschädigung gerechtfertigt. Hier ist Vorsicht bei der Formulierung geboten. Dies ist problematisch, da ein überzogenes Wettbewerbsverbot aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion zur Nichtigkeit der Klausel führt, so dass dann kein Wettbewerbsverbot bestünde. Nach überwiegender Meinung gilt die Verzichtsregelung des § 75a HGB auch für Organmitglieder, so dass ein Gesellschaft mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung des Verzichts von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei würde. Es könnte möglicherweise auch ein späterer Verzicht vereinbart werden, dies ist jedoch in der Rechtsprechung der Obergerichte umstritten.

 

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