Aktuelles im Gesellschaftsrecht

Nachweis des Anteilsbesitzes für die Teilnahme an einer Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft

Neufassung des § 123 Abs. 4 AktG zum 15.12.2023 durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz 



§ 123 Abs. 4 Satz 2 AktG in der bis zum 14.12.2023 geltenden Fassung sah Folgendes vor:

 

„Der Nachweis des Anteilsbesitzes nach § 67c Absatz 3 hat sich bei börsennotierten Gesellschaften auf den Beginn des 21. Tages vor der Versammlung zu beziehen […].“

 

§ 123 Abs. 4 Satz 2 AktG in der durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz eingeführten und ab dem 15.12.2023 geltenden Fassung sieht hingegen Folgendes vor:

 

„Der Nachweis des Anteilsbesitzes nach § 67c Absatz 3 hat sich bei börsennotierten Gesellschaften auf den Geschäftsschluss des 22. Tages vor der Versammlung zu beziehen […]“

 

Üblicherweise enthalten die Satzungen von Aktiengesellschaften folgenden Formulierung:

 

„Die Aktionäre müssen die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts nachweisen. Dazu bedarf es eines in Textform (§ 126b BGB) erstellten Nachweises ihres Anteilsbesitzes durch das depotführende Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut in deutscher oder englischer Sprache. Der Nachweis hat sich auf den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung zu beziehen und muss der Gesellschaft unter der in der Einberufung mitgeteilten Adresse spätestens an dem Tag, bis zu dem die Anmeldung gemäß § 12 Abs. 1 zu erfolgen hat, zugehen.“

 

Dies bedeutet, dass die Satzungen vieler Aktiengesellschaften nicht mehr zu dem aktuellen Recht des § 123 Abs. 4 AktG passen, auch wenn eine materielle Änderung der Frist hiermit nicht verbunden ist.

 

Die Problematik kann m.E. in der Einladung zur Hauptversammlung wie folgt gelöst werden:

 

„Der Nachweis über den Anteilsbesitz muss sich auf den Geschäftsschluss des 22. Tages bzw. den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung, d. h. XXX, den XXX  2024, 24:00 Uhr MEZ, (Nachweisstichtag) beziehen.“

 

Außerdem sind die Satzungen der Gesellschaften im Hinblick auf § 123 Abs. 4 AktG z.B. wie folgt anzupassen:

 

 

b) § XXX der Satzung wird wie folgt angepasst: Die Wörter „Beginn des einundzwanzigsten“ werden durch die Wörter „Geschäftsschluss des zweiundzwanzigsten“ ersetzt.“

 

Auch wenn die Satzungsänderung in der Hauptversammlung ein gangbarer Weg ist, könnte eine Satzungsermächtigung genutzt werden, die den Aufsichtsrat ermächtigt, Satzungsänderungen, die nur die Fassung betreffen, zu beschließen. Dann wäre dieses Problem vor der Veröffentliche der Einladung zur Hauptversammlung im Bundesanzeiger erledigt.

 

Dr. Sven Claussen

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht 

 

 

 

BGH, Urteil vom 29.06.2023, Az. IX ZR 56/22

 

Hinweis  und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund kann Drittschutz für den Geschäftsleiter der Gesellschaft enthalten.

StaRUG, § 102; Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife

 

Der für die Beraterhaftung zuständige IX. Zivilsenat hat seine Rechtsprechung zur Haftung von Steuerberatern bei möglichen Insolvenzgründen auf Rechtsanwälte ausgedehnt. Hiernach können Rechtsanwälte den Geschäftsleitern von juristischen Personen und sogar auch faktische Geschäftsführer im Wege eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter haften, wenn ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag gegenüber der Gesellschaft und späteren Insolvenzschuldnerin geschuldeten Hauptleistung besteht.

 

Der BGH knüpft hierbei die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrags an bestimmte Voraussetzungen:

1. Der Dritte muss mit der vertraglich geschuldeten Hauptleistung bestimmungsgemäß in Berührung kommen.

2. Der Gläubiger muss ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags haben.

3. Die Einbeziehung des Dritten muss dem Vertragsschuldner bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein. Schließlich bedarf es eines Bedürfnisses für die Ausdehnung des Vertragsschutzes, das regelmäßig fehlt, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt.

Seit dem 01.01.2021 gilt nach dem Unternehmensstabilisierungs- und ‑restrukturierungsgesetz (StaRUG) Folgendes:

„§ 102 Hinweis- und Warnpflichten

Bei der Erstellung eines Jahresabschlusses für einen Mandanten haben Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte den Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der Insolvenzordnung und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.“

Das Urteil des BGH ist vor diesem Hintergrund folgerichtig, auch wenn es einen Sachverhalt vor dem Urteil zur Steuerberaterhaftung aus dem Jahr 2017 und dem Inkrafttreten des StaRUG betrifft. Rechtsanwälte sollten daher, bei einer möglichen Insolvenzantragspflicht ihre Mandanten auf die Notwendigkeit einer insolvenzrechtlichen Beratung hinweisen.

 

Dr. Sven Claussen, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

 

 

Dr. Sven Claussen

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht 

 

 

 

BGH, Urteil vom 18.05.2021, Az. II ZR 41/20 

 

§ 738 Abs. 1 S. 2 BGB, gesellschaftsrechtlicher Abfindungsanspruch in der GbR

 

Abfindungsansprüche eines Gesellschafters einer GbR verjähren nicht während des Rechtsstreits über seinen  Ausschluss aus wichtigem Grund

 

Der gesellschaftsrechtliche zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verjährungsfrist des Anspruch auf Zahlung einer Abfindung eines GbR-Gesellschafters nach § 199 Abs. 1 BGB erst dann beginnt, wenn bei Unsicherheiten über die Wirksamkeit seines Ausscheidens der Ausschluss rechtskräftig entschieden ist. 

 

Kommentar von Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen

 

Dem Urteil des BGH ist zuzustimmen. In der gesellschaftsrechtlichen Praxis wird im Gesellschafterstreit häufig über das Ausscheiden eines Gesellschafters aus wichtigem Grund gestritten. Ob ein wichtiger Grund vorliegt oder nicht ist immer wieder eine schwierige, in einer Gesamtschau zu entscheidende Frage, die nicht selten sogar im Instanzenzug unterschiedlich entschieden wird. Es wäre unbillig, den nur möglicherweise ausgeschiedenen Gesellschafter zu zwingen, bereits vor der Rechtskraft der Ausschließungsklage seinen Abfindungsanspruch gerichtlich geltend zu machen. Dies würde bedeuten, dass sich der Gesellschafter in Widerspruch zu seiner Argumentation im Prozess über seinen Ausschluss setzen müsste.

 

Das Urteil des BGH ist sehr wichtig für die Rechtsfortbildung im Gesellschaftsrecht. Es lässt sich auch auf andere Gesellschaftsformen übertragen und auf andere Rechtstechniken, welche ein zwangsweises Ausscheiden eines Gesellschafters aus wichtigem Grund ermöglichen, wie die Einziehung ( = Vernichtung) des Geschäftsanteils oder seine Zwangsabtretung.  

 

 

LG Hamburg, Urteil vom 26.02.2021

Az. 412 HKO 86/20, rkrf.

§ 2 COVMG

 

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 26.02.2021 entschieden, dass bei einer Beschlussfassung im vereinfachten Umlaufverfahren nach § 2 COVMG die Mindestfristen des § 51 GmbHG oder solche statutarischer Art einzuhalten sind. Bei einer Verkürzung der Beteiligungsfrist ist ein gefasster Beschluss anfechtbar.

 

Das im Gebiet des Gesellschafterstreits in der GmbH in vielfacher Hinsicht, insbesondere zu den Fragen der Zwangseinziehung, dem Ausschluss und der Zwangsabtretung, instruktive Urteil ist in GmbHR 2021, 657 mit einem Kommentar von Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen LL.M. (Auckl.) aus der Kanzlei Weiland Rechtsanwälte als Prozessbevollmächtigte und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Jens Mediger LL.M. aus der Kanzlei Renneberg Legal veröffentlicht. Beide Fachanwälte für Handels- und Gesellschaftsrecht helfen Ihnen gern bei Streitigkeiten , die den Ausschluss von Gesellschaftern in der GmbH und anderen Gesellschaftsformen sowie die Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung von Geschäftsanteilen betreffen.

 

sclaussen@weiland-rechtsanwaelte  

mediger@renneberg-legal.de 

 

 

Otto Schmidt Online (Datenbank des Verlags Dr. Otto Schmidt):

https://online.otto-schmidt.de/db/dokument?id=gmbhr.2021.12.i.0657.01.e

 

juris: https://www.juris.de/perma?d=jzs-GMBHR-2021-12-0657-01-L-006

  

 

 

 

28.02.2021: Insolvenzantragspflicht bis zum 30.04.2021 bei nicht ausgezahlten CORONA-HILFEN  teilweise weiter ausgesetzt

 

Nach § 1 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz gilt im Wesentlichen Folgendes:

 

1. Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a der Insolvenzordnung und nach § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs war bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, falls die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.

 

2. Vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 war allein die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags allein wegen des Insolvenzgrundes der Überschuldung jedoch nicht wegen des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit weiter ausgesetzt.

 

Da die Corona-Hilfen teilweise nur schleppend ausgezahlt werden und die Unternehmen dies nicht zu verschulden haben, hat der Bundestag am 28.01.2021 die Insolvenzantragspflicht weiter bis zum 30.04.2021 ausgesetzt, wenn die Insolvenzreife des Unternehmens auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus beruhte, wenn im Zeitraum 01.11.2020 bis 28.02.2021 ein Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt wurde bzw. werden wird, wenn Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung bestand bzw. besteht und wenn die erlangbare Hilfeleistung zur Beseitigung der Insolvenzreife führen wird.

 

Praxishinweis von Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen:

 

Seit dem 01.01.2021 sind die Geschäftsführer und Vorstände insolvenzreifer Gesellschaften wieder verpflichtet, ihrer Insolvenzantragspflicht nachzukommen. Wenn sie dies nicht tun, machen sich die Geschäftsleiter grundsätzlich einer Insolvenzverschleppung strafbar und sind einer persönlichen Haftung z.B. aus § 64 GmbHG ausgesetzt. Eine Ausnahme gilt, wenn bereits bis zum 28.02.2021 ein erfolgversprechender Antrag auf CORONA-HILFEN gestellt wurde und die Auszahlung der CORONA-Hilfen die Insolvenzreife beseitigen wird. Hierzu sollten sich Geschäftsführer und Vorstände unbedingt durch einen Fachanwalt für Gesellschaftsrecht oder einen Fachanwalt für Insolvenzrecht fachkundig beraten lassen. 

 

BGH, Urteil vom 18.11.2020, Az. IV ZR 217

§ 64 S. 1 GmbHG

 

D&O-Versicherung haftet für Ansprüche nach § 64 S. 1 GmbHG

 

Der Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Ersatz von Zahlungen nach Insolvenzreife ist ein gesetzlicher Haftpflichtanspruch und von der D&O-Versicherung gedeckt. Vorstände und Geschäftsführer können aufatmen (und Insolvenzverwalter und Insolvenzgläubiger können sich freuen).

 

In dem dem Urteil des BGH zugrundeliegenden Fall, nahm der Insolvenzverwalter die D&O-Versicherung in Anspruch, welche Deckung für eine "Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden" zugesagt hatte. Das OLG Frankfurt hatte entschieden, dass der Anspruch nach § 64 A. 1 GmbHG kein gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz sei sondern ein "Ersatzanspruch eigener Art." (ebenso OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.07.2018, Az. 4 U 93/16). Es hatte sich eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt und die Revision war nicht zugelassen worden.

 

Der BGH hat die Auffassung dieser Obergericht nach der Nichtzulassungsbeschwerde verworfen und klargestellt, dass es sich bei § 64 S. 1 GmbHG um einen gesetzlichen Haftungsanspruch auf Schadensersatz handelt, denn einem geschäftserfahrenen Versicherten ohne juristische Ausbildung wird die komplexe rechtsdogmatische Einordnung als Anspruch sui generis und eine Einschränkung des Versicherungsschutzes verstehen können. Die Wiederherstellung eines Zustandes der insolventen Gesellschaft ohne die pflichtwidrigen Zahlungen werde er als Schadensersatz verstehen. Zudem werde der Versicherungsnehmer annehmen, dass die D&O-Versicherung ihn vor potentiell existenzvernichtenden Vermögenseinbußen schützt.

 

Anmerkung Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen:

 

Die Urteile des OLG Düsseldorf und OLG Frankfurt waren für Vorstände und Geschäftsführer bitter, da die Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG zu recht als größte Haftungsgefahr für Geschäftsleiter angesehen wird. Das zur Aufnahme in die amtliche Sammlung vorgesehene Urteil des BGH verdient uneingeschränkte Zustimmung. Der BGH führt seine Rechtsprechung zu AVB konsequent fort. Es war geradezu absurd, dass die D&O-Versicherung das mit Abstand wichtigste Risiko nicht deckte.

 

BGH Urteil vom 10.11.2020, Az. II ZR 211/19

 

§ 34 GmbHG, § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG

 

Einziehung eines nach der Gesellschafterliste nicht existenten , möglicherweise aber materiell existenten GmbH-Geschäftsanteils möglich

 

 

Nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Es ist daher formell entscheidend, wer in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste steht. Wegen der Bedeutung der Gesellschafterliste seit dem MoMiG findet bei Gesellschafterstreitigkeiten typischerweise der sogenannte "Kampf um die Gesellschafterliste" in einstweiligen Verfügungsverfahren statt.

 

Wenn die Gesellschaft nun eine Gesellschafterliste eingereicht hat, in der ein Gesellschafter nicht mehr aufgeführt ist, und diese im Handelsregister aufgenommen wurde, war bisher streitig, wie damit umzugehen ist. Es ist beispielsweise denkbar, dass besonders tragfähige wichtige Gründe für die Einziehung des Geschäftsanteils erst nach der Aufnahme der Gesellschafterliste im Handelsregister bekannt werden. Der BGH hat nunmehr klargestellt, dass eine GmbH durch die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG nicht gehindert ist, einen nach einem möglicherweise fehlgeschlagenen Einziehungsversuch aus der Gesellschafterliste entfernten, aber materiell bestehenden Geschäftsanteil aus einem in der Person des materiell berechtigten Gesellschafters liegenden wichtigen Grund einzuziehen.

 

 

Anmerkung Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen:

 

Es ist begrüßenswert, dass nach diesem BGH-Urteil ein Einziehungsbeschluss nicht ins Leere geht, wenn die Einziehung einen – infolge eines etwaig fehlgeschlagenen Einziehungsversuchs – nach der Gesellschafterliste formell nicht mehr existenten Geschäftsanteil betrifft, denn ein solcher Geschäftsanteil kann materiell noch bestehen. Die Löschung des Geschäftsanteils aus der Gesellschafterliste der GmbH beendet lediglich Beklagten dessen durch § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG vermittelte formale Gesellschafterstellung unabhängig von der Wirksamkeit der ersten Einziehungsversuche. Dies ist überzeugend, denn § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG regelt seinem Wortlaut nach nur das Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft (d.h. für die Geltendmachung von Mitgliedschaftsrechten) und gerade nicht das Verhältnis der Gesellschaft zum Gesellschafter (z.B. Kaduzierung, Einziehung ua).

 

Zulässigkeit der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft mit dem Rechtsformzusatz der "gUG (haftungsbeschränkt)" durch BGH bestätigt

 

BGH: Beschluss vom 28.04.2020, Az. II ZB 13/19

GmbHG § 5 a Abs. 1 und  § 4 S. 1

 

Der BGH hat mit Urteil vom 28.04.2020, Az. II ZB 13/19) klargestellt, dass der Rechtsformzusatz der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) in seiner Kurzform der "gUG (haftungsbeschränkt) zulässig ist.

 

Dieser Entscheidung ist zuzustimmen, da die Haftungsverhältnisse offengelegt werden und das gesetzgeberische Ziel des Ehrenamtstärkungsgesetzes befördert wird. Ein Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs ist kaum vorstellbar.

 

 

Achtung KGs und Transparenzregister: Bundesverwaltungsamt ändert Praxis um 180 Grad!

 

Auch die GmbH & Co. KGs sowie KGs müssen Angaben zu ihrem wirtschaftlich Berechtigten zum Transparenzregister melden.

 

 

Bekanntlich müssen seit dem 01.10.2017 Gesellschaften und Stiftungen Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten im elektronischen Transparenzregister machen.

 

Wer dies unterlässt, riskiert hohe Bußgelder.

 

Nach § 20 Abs. 2 GWG besteht eine Meldefiktion und damit eine Ausnahme von der Mitteilungspflicht, wenn sich die erforderlichen Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten bereits vollständig aus öffentlichen, elektronisch abrufbaren Registern ergeben.

 

Da die Kommanditisten mit ihren Haftsummen im Handelsregister eingetragen sind, lag es nahe, von dem Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes bei KGs und GmbHs & Co. KGs aufgrund der Meldefiktion auszugehen. Inzwischen geht das Bundesverwaltungsamt inzwischen unter Verweis auf die Gesetzesbegründung von einer Meldepflicht aus:

 

Dies überrascht auf den ersten Blick, aber es überzeugt, denn die Einlage eines persönlich haftenden Gesellschafters ist nicht aus dem Handelsregister ersichtlich ist. Außerdem führt Bundesverwaltungsamt zurecht aus, dass aus der im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage keine Rückschlüsse auf die Einlage und somit die Kapitalanteile der Kommanditisten möglich sind. Die Pflichteinlage der Kommanditisten sowie die prozentuale Verteilung der Kapitalanteile können ganz beträchtlich von den eingetragenen Haftsummen abweichen.

 

Anmerkung von Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen, Hamburg:

 

Es besteht dringender Handlungsbedarf für Geschäftsführer von Kommanditgesellschaften und GmbH & Co. KGs. Diese müssen kurzfristig prüfen, ob eine Meldepflicht zum Transparenzregister besteht und diese dann vornehmen. Verstöße gegen die Meldepflichten können zu hohen Bußgeldern führen.

 

 

Achtung KGs und Transparenzregister: Bundesverwaltungsamt ändert Praxis um 180 Grad!

 

Auch die GmbH & Co. KGs sowie KGs müssen Angaben zu ihrem wirtschaftlich Berechtigten zum Transparenzregister melden.

 

 

Bekanntlich müssen seit dem 01.10.2017 Gesellschaften und Stiftungen Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten im elektronischen Transparenzregister machen.

 

Wer dies unterlässt, riskiert hohe Bußgelder.

 

Nach § 20 Abs. 2 GWG besteht eine Meldefiktion und damit eine Ausnahme von der Mitteilungspflicht, wenn sich die erforderlichen Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten bereits vollständig aus öffentlichen, elektronisch abrufbaren Registern ergeben.

 

Da die Kommanditisten mit ihren Haftsummen im Handelsregister eingetragen sind, lag es nahe, von dem Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes bei KGs und GmbHs & Co. KGs aufgrund der Meldefiktion auszugehen. Inzwischen geht das Bundesverwaltungsamt inzwischen unter Verweis auf die Gesetzesbegründung von einer Meldepflicht aus:

 

Dies überrascht auf den ersten Blick, aber es überzeugt, denn die Einlage eines persönlich haftenden Gesellschafters ist nicht aus dem Handelsregister ersichtlich ist. Außerdem führt Bundesverwaltungsamt zurecht aus, dass aus der im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage keine Rückschlüsse auf die Einlage und somit die Kapitalanteile der Kommanditisten möglich sind. Die Pflichteinlage der Kommanditisten sowie die prozentuale Verteilung der Kapitalanteile können ganz beträchtlich von den eingetragenen Haftsummen abweichen.

 

Anmerkung von Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen, Hamburg:

 

Es besteht dringender Handlungsbedarf für Geschäftsführer von Kommanditgesellschaften und GmbH & Co. KGs. Diese müssen kurzfristig prüfen, ob eine Meldepflicht zum Transparenzregister besteht und diese dann vornehmen. Verstöße gegen die Meldepflichten können zu hohen Bußgeldern führen.

 

 

Achtung KGs und Transparenzregister: Bundesverwaltungsamt ändert Praxis um 180 Grad!

 

Auch die GmbH & Co. KGs sowie KGs müssen Angaben zu ihrem wirtschaftlich Berechtigten zum Transparenzregister melden.

 

 

Bekanntlich müssen seit dem 01.10.2017 Gesellschaften und Stiftungen Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten im elektronischen Transparenzregister machen.

 

Wer dies unterlässt, riskiert hohe Bußgelder.

 

Nach § 20 Abs. 2 GWG besteht eine Meldefiktion und damit eine Ausnahme von der Mitteilungspflicht, wenn sich die erforderlichen Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten bereits vollständig aus öffentlichen, elektronisch abrufbaren Registern ergeben.

 

Da die Kommanditisten mit ihren Haftsummen im Handelsregister eingetragen sind, lag es nahe, von dem Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes bei KGs und GmbHs & Co. KGs aufgrund der Meldefiktion auszugehen. Inzwischen geht das Bundesverwaltungsamt inzwischen unter Verweis auf die Gesetzesbegründung von einer Meldepflicht aus:

 

Dies überrascht auf den ersten Blick, aber es überzeugt, denn die Einlage eines persönlich haftenden Gesellschafters ist nicht aus dem Handelsregister ersichtlich ist. Außerdem führt Bundesverwaltungsamt zurecht aus, dass aus der im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage keine Rückschlüsse auf die Einlage und somit die Kapitalanteile der Kommanditisten möglich sind. Die Pflichteinlage der Kommanditisten sowie die prozentuale Verteilung der Kapitalanteile können ganz beträchtlich von den eingetragenen Haftsummen abweichen.

 

Anmerkung von Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen, Hamburg:

 

Es besteht dringender Handlungsbedarf für Geschäftsführer von Kommanditgesellschaften und GmbH & Co. KGs. Diese müssen kurzfristig prüfen, ob eine Meldepflicht zum Transparenzregister besteht und diese dann vornehmen. Verstöße gegen die Meldepflichten können zu hohen Bußgeldern führen.

 

 

 

ARUG II ist am 01.01.2020 in Kraft getreten

 

Auswirkungen auf die Vorstandsvergütung und Related Party Transactions

 

Der Bundestag hat am Donnerstag, 14. November 2019, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) angenommen. Der Bundespräsident hat das Gesetz am 12.12.2019 ausgefertigt.

 

Das ARUG II belässt es bei der Festlegung des Vergütungssystems für die Vorstandsmitglieder beim Aufsichtsrat mit einem hohen Ermessensspielraum. Hinzu kommt jedoch ein unverbindliches Votum der Hauptversammlung zum vorgelegten Vergütungssystem. Der Aufsichtsrat ist jedoch künftig nach § 87a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG-E verpflichtet, eine Maximalvergütung für die Vorstandsvergütung festzulegen, welches jedoch bereits verbreitete Praxis war und den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex entsprach.

 

Die Hauptversammlung kann jedoch nach § 87 Abs. 4 AktG-E zukünftig die vom Aufsichtsrat festgelegte Maximalvergütung für den Vorstand durch verbindliches Votum reduzieren, falls eine Ergänzung der Tagesordnung mit Mindestquorum von 5 % oder einen anteiligen Betrag von EUR 500.000 des Grundkapitals beantragt worden ist.

 

Im Vergütungsbericht müssen Vorstand und Aufsichtsrat zu jedem einzelnen namentlich genannten Vorstandsmitglied erläutern, wie die festgelegte Maximalvergütung eingehalten wurde (§ 162 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 AktG-E).           

 

 

Der Schwellenwert für Geschäfte mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions, RPT) auf 1,5 Prozent der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen auf der Basis des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses bzw. gebilligten Konzernabschlusses herabgesetzt (§ 111b Abs. 1, 3 AktG-E). Aktuell beträgt der Schwellenwert 2,5 %.

 

 

Aufsichtsratsmitglied zumindest bei Festvergütung kein Unternehmer, BFH gibt frühere Rechtsprechung auf

 

BFH , Urteil vom 27.11.2019 - V R 23/19; V R 62/17

 

 

 

Ein Aufsichtsratsmitglied einer AG hatte sich dagegen vor dem Finanzgericht erfolglos geklagt, dass seine festvergütete Aufsichtsratsvergütung als umsatzsteuerpflichtige unternehmerische Tätigkeit erbringe.

 

Der BFH änderte nun seine bisherige Rechtsprechung (Az.: V R 23/19 und V R 62/17). Hiernach trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist somit nicht als Unternehmer tätig.

 

 

Der BGH begründete dies mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, die bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sei. Nach der EuGH-Rechtsprechung übe das Mitglied eines Aufsichtsrats keine selbstständige Tätigkeit aus, wenn das das Aufsichtsratsmitglied für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und dabei auch kein wirtschaftliches Risiko trägt. Dies sei bei einer festen Vergütung der Fall.

 

 

 

Anmerkung von Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen, Hamburg:

 

Das Urteil des BFH ist folgerichtig, der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen. Die Überwachung ist keine unternehmerische Tätigkeit. Aus diesem Grund werden Aufsichtsräte üblicherweise nicht nach dem Unternehmenserfolg vergütet.

 

 

 

OLG München, Endurteil vom 16.01.2019 - 7 U 342/18

Auskunftsrecht des Treuhandkommanditisten über Namen und Anschriften seiner mittelbaren und unmittelbaren Mitgesellschafter, DSGVO steht dem Auskunftsrecht nicht entgegen

 

 

1. Ein Treuhandkommanditist, der sich mittelbar über eine Treuhänderin an einer Publikums GmbH & Co. KG beteiligt hat, hat einen Anspruch auf Mitteilung der Namen und die Anschriften sämtlicher mittelbar und unmittelbar beteiligten Anleger, somit der Treuhandkommanditisten und Kommanditisten, wenn der Gesellschafts- und des Treuhandvertrages so mit einander verzahnt sind, dass der Treuhandkommanditist im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft eine einem unmittelbaren Gesellschafter entsprechende Rechtsstellung hat.

2. Es liegt keine unzulässige Rechtsausübung und kein Missbrauch des Auskunftsrechts vor, wenn der Treuhandkommanditist vorrangig die Namen, Anschriften und Beteiligungshöhe der Mitgesellschafter erfahren möchte, um diesen Mitgesellschaftern Kaufangebote hinsichtlich ihrer Anteile zu unterbreiten.

3. Die Regelungen der DSGVO stehen einem solchen Auskunftsanspruch nicht entgegen.

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Claussen:

 

Häufig versuchen Fondsgeschäftsführungen, die Kommanditisten von Publikumsgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG davon abzuhalten, die Adressen ihrer Mitgesellschafter zu erfahren. Hierdurch wird ein abgestimmtes Verhalten der Anleger unmöglich. Das OLG München hat nunmehr klargestellt, dass die DSGVO den Auskunftsansprüchen nicht entgegensteht.

 

 

BGH

Urteil vom 20.11.2018, Az. II ZR 12/17

GmbHG §§ 16 Abs. 1, 47 Abs. 4 GmbHG

Fachgebiet Gesellschaftrecht: Legitimationswirkung der Gesellschafterliste auch bei eingezogenen Geschäftsanteilen

 

Der Kläger, sein Vater  (V) und  der Gesellschafter W  hielten 31 %. 20 % und 49 des Stammkapitals. V übertrug seine Geschäftsanteile am 5.3.2014 an den Kläger. Die geänderte notarielle Gesellschafterliste hierzu wurde am 13.3.2014 im Handelsregister aufgenommen. Am 7.3.2014 wurde die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers und des Vaters beschlossen.

 

Gegen die Einziehung der Geschäftsanteile haben sowohl der Kläger als auch V in einem gesonderten Verfahren Anfechtungsklage erhoben. Nur die Klage des Klägers auf Einziehung des Geschäftsanteils mit einer vermittelten Beteiligung von 31 % hatte Erfolg. Die Urteile wurden rechtskräftig.

 

Eine aktualisierte Gesellschafterliste wurde am 15.08.2016 im Handelsregister aufgenommen. Am 28.07.2015 fand eine weitere Gesellschafterversammlung statt. Fraglich war hierbei, ob für die Stimmrechtsverteilung der Gesellschafterliste vom 13.3.2014 oder die rechtskräftig im Einziehungsprozess entschiedene Stimmrechtsverteilung maßgebend war.

 

Der BGH hat nunmehr entschieden, dass die Legitimationswirkung des § 16 Absatz I 1 GmbHG auch bei eingezogenen Geschäftsanteilen greift. Dem stehe nicht entgegen, dass die Einziehung den Untergang  bzw. die Vernichtung des betroffenen Geschäftsanteils zur Folge hat (vgl. BGHZ 139, 299) und bereits mit der Mitteilung des Beschlusses an den Gesellschafter wirksam wird, wenn er weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird. § 16 Absatz I 1 GmbHG gelte seinem Wortlaut nach bei jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung, ohne danach zu unterscheiden, worauf diese Veränderung beruht.

 

§ 16 GmbHG hat somit eine formelle Legitimationswirkung auch bei eingezogenen Geschäftsanteilen, somit für nichtexistente Geschäftsanteile.

 

 

 

Anmerkung von Rechtsanwalt Dr. Claussen:

 

Das BGH-Urteil ist gesellschaftsrechtlich begrüßenswert, denn sie dient der Rechtssicherheit, indem innerhalb der Gesellschaft klare Verhältnisse geschaffen werden, wer im Verhältnis zur Gesellschaft berechtigt und verpflichtet ist.

 

Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Berufung auf die formelle Legitimation rechtsmissbräuchlich sein oder gegen die gesellschafterliche Treuepflicht verstößt, wenn sich z.B. der betroffene Gesellschafter wusste, dass der Geschäftsanteile eingezogen war oder sich ihm dieses aufdrängen musste.

 

Nach der Einziehung sollten die verbleibenden Gesellschafter erst dass Gewinnverwendungs- oder andere Beschlüsse fassen, wenn die neue Gesellschafterliste im Handelsregister aufgenommen wurde.

 

Im Gesellschafterstreit ist es zur Schaffung eines status quo unbedingt erforderlich, einstweilige Maßnahmen zu ergreifen, um eine für den eigenen Mandanten günstige Gesellschafterliste im Handelsregister aufnehmen zu lassen.

 

OLG Düsseldorf

Urteil vom 20. Juli 2018

GmbHG § 64 S. 1, D&O-Versicherung

Keine Haftung der D&O-Versicherung für Ansprüche wegen Zahlungen nach Insolvenzreife ohne ausdrückliche Vereinbarung

 

Der 4. Zivilsenat des OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 20. Juli 2018 (Az. 4 U 93/16) entschieden, dass der Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung Ansprüche auf Ersatz insolvenzrechtswidrig geleisteter Zahlungen gemäß § 64 S. 1 GmbHG nicht deckt, da es sich um einen Ersatzanspruch eigener Art handelt.

Die Klägerin war Geschäftsführerin einer GmbH und verklagt ihr D&O-Versicherung auf Deckung. Der Insolvenzverwalter der GmbH hatte die Klägerin erfolgreich nach § 64 S. 1 GmbHG in Anspruch genommen, da sie nach Eintritt der Insolvenzreife noch Überweisungen in Höhe von rund EUR 200.000 vorgenommen oder nicht verhindert hatte. Nach der rechtskräftigen Verurteilung der Geschäftsführerin, verklagte diese die D&O-Versicherung auf Freistellung von der Pflicht zur Zahlung.

 

Nach den Versicherungsbedingungen der D&O-Versicherung bestand Versicherungsschutz „für den Fall, dass eine versicherte Person […] wegen einer […] Pflichtverletzung […] für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird […].“

Das OLG Düsseldorf lehnte einen Freistellungsanspruch ab, da es beim Anspruch nach § 64 S. 1 GmbHG nicht um einen auf Kompensation eines Vermögensschadens gerichteten Schadensersatzanspruch, sondern um einen Ersatzanspruch eigener Art. Es fehle an einem auch im tatsächlichen schadensersatzähnlichen Charakter des Anspruchs, denn § 64 S. 1 GmbHG diene nicht dem Ersatz eines Schadens der Gesellschaft sondern allein dem Interesse der Gläubigergesamtheit.

Eine D&O-Versicherung sei jedoch nicht auf den Schutz der Gläubigerinteressen ausgelegt.

 

Anm. Rechtsanwalt Dr. Claussen:

Bereits das OLG Celle hatte mit Beschluss vom 1. April 2016, Az. 8 W 20/16, eine vergleichbare Rechtsauffassung vertreten. Die Auffassung des OLG Celle überzeugt dogmatisch, da § 64 GmbHG gerade nicht dem Ersatz eines Vermögensschadens dient, sondern der „schnellen Wiederauffüllung“ der Masse.

Insofern hat das OLG Celle auch keine Revision zugelassen.

In der Praxis werden Geschäftsführer ihre D&O-Policen überprüfen lassen müssen, ob die Versicherungsbedingungen Ansprüche nach § 64 S. 1 GmbHG im GmbH-Recht oder §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 Abs. 2 S. 1 AktG im Aktienrecht umfassen.

 

 

OLG München

 

Urteil vom 23. Februar 2017, Az. 23 U 4888/15

 

GmbHG § 46 Nr. 8 Alt. 1

 

Stimmverbot bei Bestellung eines besonderen Vertreters zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen

 

Das OLG München hat in dieser wichtigen Entscheidung ausgeführt, dass die Gesellschafterversammlung einer GmbH analog § 46 Nr. 8 2. Alt. GmbHG berechtigt ist, im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Mitgesellschafter einen besonderen Vertreter zu bestellen.

 

Der im Rahmen einer Beschlussfassung gemäß § 46 Nr. 8 1. Alt. GmbHG bestehende Stimmrechtsausschluss eines wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch zu nehmenden Gesellschafters gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 GmbHG das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft im Prozess gegen ihn vertreten soll. Das Stimmrecht in diesem Punkt auszuschließen, ist ebenfalls sachgerecht, weil von dem betroffenen Gesellschafter nicht erwartet werden kann, dass er einen Prozessvertreter auswählt und bestellt, der gegen ihn selbst die Interessen der Gesellschaft am entschiedensten vertritt.

 

Der Gesellschafter unterliegt bei der Abstimmung hinsichtlich der Weisung an den Geschäftsführer sowie der Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen einem Stimmverbot.

 

Dies begründete das OLG München wie folgt:

 

Aus § 47 Abs. 4 GmbHG ergibt sich der Grundgedanke des Stimmverbots, dass ein Gesellschafter nicht Richter in eigener Sache sein darf. Der im Rahmen einer Beschlussfassung gemäß § 46 Nr. 8 1. Alt. GmbHG bestehende Stimmrechtsausschluss eines wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch zu nehmenden Gesellschafters gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 GmbHG das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft im Prozess gegen ihn vertreten soll. Das Stimmrecht in diesem Punkt auszuschließen, ist ebenfalls sachgerecht, weil von dem betroffenen Gesellschafter nicht erwartet werden kann, dass er einen Prozessvertreter auswählt und bestellt, der gegen ihn selbst die Interessen der Gesellschaft am entschiedensten vertritt (BGH, Urteil vom 20.01.1986 - II ZR 73/85 -, BGHZ 97, 28-37, Rn. 12). Unter Anwendung dieser Grundsätze war der Nebenintervenient bei der Abstimmung über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihn selbst von der Abstimmung ausgeschlossen, so dass seine Stimmabgabe nicht zählte. Auf die Erfolgsaussichten des geplanten Vorgehens kommt es für den Stimmrechtsausschluss nicht an.“

 

 

 

Anmerkung Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen, Hamburg:

 

Dem OLG München ist zuzustimmen, das im Gesellschaftsrecht anerkannte Verbot des Richtens in eigener Sache gilt auch, wenn ein besonderer Vertreter zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen bestellt werden soll. Andernfalls hätte der betroffene Gesellschafter es bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen in der Hand, einen ihm genehmen besonderen Vertreter zu bestellen.

 

 

BGH, Urteil vom 12.07.2016,

 

Az.  II ZR 74/14

 

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.07.2016 richtet sich der Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen GbR-Gesellschafters richtet sich vollständig gegen die Gesellschaft. Der Abfindungsanspruch des aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Ausgeschiedenen richtet sich nach der Auffassung des gesellschaftsrechtlichen II. Zivilsenats umfassend gegen die Gesellschaft.

 

Kommentar vom Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Sven Claussen:

 

Der BGH hat sinnvollerweise mit diesem Urteil festgestellt, dass für einen von dem Abfindungsanspruch zu trennenden Ausgleichsanspruch gegen die in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter kein Raum ist. Ausgeschiedene BGB-Gesellschaft müssen daher die Gesellschaft auf Abfindung verklagen. Nach der  Begründung der Teilrechtsfähigkeit der unternehmerischen GbR durch den BGH im Jahr 2001 (29.1.2001 – II ZR 331/00 – Weißes Ross, BGHZ 145, 341), mit der gesellschaftsrechtliche Zivilsenat die seit der Einführung des BGB bestehende Diskussion um die Zuordnung des Gesellschaftsvermögens und das Haftungsregime der GbR beendet hat, ist das Urteil vom 12.07.2016 eine konsequente Fortentwicklung.

 

 

Die englische Limited oder Ltd. in Deutschland nach dem Brexit, von der Limited Liability Company zur Unlimited Liability Company und vollen Haftung ihrer Gesellschafter und Geschäftsführer

  

Nach Großbritannien nach Artikel 50 der EU-Verträge am 29.03.2017 den Austritt beantragt hat, ist vollkommen unklar, wie die Europäische Union und Großbritannien oder Kleinbritannien (ohne Schottland und Nordirland) ihre gegenseitigen Beziehungen neu ordnen werden. Die Komplexität der rechtlichen Beziehungen und die Vorteile der Integration in die EU waren für die Wähler in Großbritannien wohl nicht nachzuvollziehen.

 

Bekanntlich regelt Art. 50 EU-Vertrag seit dem Vertrag von Lissabon erstmals den Austritt eines Staates aus der Union und beendete damit die bis dahin vorhandene Ungewissheit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines (ungeschriebenen) Austrittsrechts. Nunmehr wird die EU ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts verhandeln. An den Beratungen und Beschlüssen der Unionsorgane über den Austritt nehmen die Vertreter des austretenden Staates gemäß Art. 50 Abs. 4 nicht teil. Besteht zwei Jahre nach der Austrittserklärung eines Staates an den Europäischen Rat noch kein Austrittsabkommen, aus welchen Gründen auch immer, so wird der Austritt gemäß Art. 50 Abs. 3 auch ohne ein solches Abkommen sofort wirksam, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.

 

Insbesondere ist problematisch, ob Urteile englischer Gerichte zukünftig in der EU anerkannt werden und vollstreckt werden können, wenn die Regelungen der EuGVVO wegfallen. Solange über die neuen Regelungen keine Klarheit herrscht, sollten Unternehmen vorsichtshalber Verträge nach der Rechtsordnung und mit dem Gerichtsstand eines sonstigen EU-Mitgliedsstaates, z.B. die Vereinbarung deutschen Rechts und deutscher Gerichtsbarkeit schließen. Die Vereinbarung der Zuständigkeit des Rechts von England und Wales oder englischer Gerichte führt zu erheblichen Unsicherheiten.

 

Darüber hinaus stellen sich Fragen für Gesellschaften die nach den Regeln der EU- Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV; Centros, Überseering) ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben. Es war möglich, eine britische Kapitalgesellschaft trotz Haupttätigkeit in Deutschland aufgrund der europäischen Niederlassungsfreiheit zu gründen. Hiernach sind EU-Staaten (noch !), die Rechts- und Parteifähigkeit von Gesellschaften aus anderen EU-Mitgliedstaaten nach deren nationalen Gesellschaftsrecht anzuerkennen. Das häufigste Beispiel dürfte eine englische Ltd. sein, welche ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat. Die Ltd. wurde zunächst in England gegründet und dann wurde ein Gesellschafterbeschluss über die Verlegung des Hauptsitzes nach Deutschland gefasst. Es wurde sodann eine inländischen Zweigniederlassung mit Firma, Anschrift, Gegenstand und Vertretungsreglung eingerichtet.

 

Scheidet Großbritannien oder Kleinbritannien aus der EU aus, droht die unbegrenzte Haftung der Gesellschafter der Ltd. analog zu der Haftungssituation eines Einzelkaufmanns oder oHG-Gesellschafters, wenn nach der zweijährigen Übergangsfrist nach Art. 50 des EU-Vertrages keine Einigung bestehen und die Limited als rechtsfähige Personengesellschaft deutschen Rechts behandelt und damit als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder offene Handelsgesellschaft. Dies hätte die persönliche und unbeschränkte Haftung der Gesellschafter analog § 128 HGB. Die Limited Liability Company droht zur Unlimited Liability Company zu werden!

 

Fazit: Es ist unsicher und eher unwahrscheinlich, dass sich die EU mit Großbritannien auf eine Fortgeltung der Niederlassungsfreiheit einigt, was jedoch bei Island, Liechtenstein und Norwegen unter dem EWR-Übereinkommen der Fall ist. Das Brexit-Referendum ist für Unternehmen in einer britischen Rechtsform eine hochproblematische Situation, zumal das Verhandlungsergebnis zwischen EU und Großbritannien sehr ungewiss ist. Es ist fahrlässig, wenn Gesellschafter und Directors einer Limited keine Maßnahmen treffen, um sich auf den Brexit vorzubereiten, zumal auch die Buchhaltung nach anderen Regeln zu erfolgen hat. Ein sinnvoller Schritt dürfte ein transnationaler Formwechsel in eine deutsche Rechtsform wie die GmbH oder Aktiengesellschaft oder der Formwechsel in eine Societas Europaea (SE) sein.

 

Eile ist geboten, nach dem Brexit werden zur Zeit zulässige auf EU-Recht basierende grenzüberschreitende Struktur- und Umwandlungsmaßnahmen auf der Basis des EU-Rechts wahrscheinlich ersatzlos wegfallen.

 

Dr. Sven Claussen

 

 

BGH, Urteil vom 9. Juni 2015

 

Az : II ZR 420/13

 

Fachgebiet: Gesellschaftsrecht 

 
 

BGB §§ 242, 705, 133, 157

1.    Die Grundsätze über die aus Treuepflichtgesichtspunkten folgende Zustimmungspflicht nicht nur bei Publikumspersonengesellschaften in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft, sondern auch - bei Publikumsgesellschaften in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung finden.

 

2.         Der Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft muss für eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu seinem Ausscheiden aus gesellschafterlicher Treuepflicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen keine ausdrückliche Regelung enthalten, weil diese Treuepflicht jedem Gesellschaftsverhältnis ohne ausdrückliche Regelung immanent ist. Ein Gesellschaftsvertrag kann allerdings diese Treuepflicht ausdrücklich oder im Wege der Auslegung konkretisierende Regelungen enthalten, die insbesondere die aus der Treuepflicht folgende Zustimmungspflicht für bestimmte Sachverhalte einschränken oder an weitere Voraussetzungen knüpfen (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. Oktober 2009 - II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 - Sanieren oder Ausscheiden; Urteil vom 25. Januar 2011 - II ZR 122/09, ZIP 2011, 768).

 

Sachverhalt (stark verkürzt):

 

Die Klägerin, ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, verlangt von dem Beklagten mit der Begründung, dieser sei zum 31. März 2011 aus der Gesellschaft ausgeschieden, Zahlung des sich zu seinen Lasten aus der Auseinandersetzungsbilanz ergebenden Fehlbetrags in Höhe von 29.040,01 €.

  

Die Klägerin wurde 1995 gegründet. Ihr traten circa 600 Gesellschafter mit einem Eigenkapital von 38.373.400 € bei. Die Immobilien des Fonds, jeweils ein Objekt in B. -R. und eines in B. -H. , wurden in den Jahren 1995 bis 1996 errichtet. Hieraus erzielte die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und konnte grundsätzlich Mittel aus öffentlicher Förderung durch das Land B. beanspruchen.

 

 

Der Beklagte trat der Klägerin mit Zeichnungsschein vom 13./25. November 1996 mit einer Beteiligungssumme von 50.000 DM bei.

 

 

Im Jahr 2009 geriet die Gesellschaft in eine Schieflage. Nach Erörterung verschiedener Handlungsoptionen und des erarbeiteten Sanierungskonzepts wurde auf einer Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 2. Dezember 2009 die Sanierung der Gesellschaft nach dem Modell "Sanieren oder Ausscheiden" beschlossen. Danach wurde das bestehende und vollständig verbrauchte Nominalkapital der Gesellschaft von 38.373.400 € um 38.335.026,60 € auf 38.373,40 € (1 Promille) herabgesetzt und sodann eine Kapitalerhöhung um den erforderlichen Sanierungsbetrag um bis zu 36.454.730 € auf 36.493.103,40 € beschlossen. Die Gesellschafter wurden zur freiwilligen Übernahme der Kapitalerhöhung entsprechend ihrer vor der Kapitalherabsetzung bestehenden quotalen Beteiligung aufgefordert. Weiter wurde folgender Beschluss mit einer Mehrheit von 90,71 % gefasst:

 

"Gesellschafter, die bis zum Einzahlungsstichtag - spätestens jedoch bis zum Sanierungsstichtag - nicht nach Maßgabe der Bestimmungen zu 7.3.2 einen Anteil in Höhe ihres jeweiligen Gesellschafterbeitrags auf den Erhöhungsbetrag übernommen und (durch Zahlung oder Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung) bewirkt haben, scheiden mit dinglicher Wirkung mit dem Ablauf des Sanierungsstichtags, mit schuldrechtlicher Wirkung mit dem auf den Sanierungsstichtag vorangehenden Tag, 24.00 Uhr, aus der Gesellschaft aus, ohne dass es einer weiteren Erklärung der Gesellschaft bedarf."

 

Der Beklagte stimmte dem Beschluss nicht zu und beteiligte sich nicht an der von der Gesellschafterversammlung der Klägerin beschlossenen freiwilligen Übernahme der Kapitalerhöhung. Die auf den Sanierungsstichtag, den 31. März 2011, durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellte Auseinandersetzungsbilanz ergab einen Bilanzfehlbetrag von 42.061.540,54 €. Entsprechend seiner zum Sanierungsstichtag bestehenden Beteiligung von 0,067755 % ergibt sich hieraus ein Fehlbetrag zu Lasten des Beklagten in Höhe von 29.040,01 €.

 

Der BGH unterstellt revisionsrechtlich die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft sowie ein dem Beklagten zuzumutendes Ausscheiden zu unterstellen. Dann war der Beklagte aus gesellschafterlicher Treuepflicht verpflichtet, dem Beschluss über die Ausschließung der nicht sanierungswilligen Gesellschafter, mithin dem Beschluss über seine Ausschließung, zuzustimmen.

 

Er führt aus, dass zur Annahme der Sanierungsbedürftigkeit der Klägerin nicht erforderlich ist, dass sie im Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits zahlungsunfähig war; vielmehr reicht eine in absehbarer Zeit konkret drohende Zahlungsunfähigkeit, wie sie hier von der Klägerin zum Ende des Jahres 2010 behauptet worden und zu ihren Gunsten revisionsrechtlich zu unterstellen ist, aus (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2011 - II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 Rn. 1, 24).

  

Nach dem BGH war der Beklagte aus gesellschafterlicher Treuepflicht zur Zustimmung zu der von der Gesellschafterversammlung mit der erforderlichen Mehrheit von über 75 % beschlossenen Sanierungsregelung und der damit verbundenen Ausscheidensfolge verpflichtet und muss sich daher so behandeln lassen, als hätte er ihr zugestimmt. Der Beklagte handelt treupflichtwidrig, wenn er zwar an den Sanierungsbemühungen der Klägerin nicht teilnehmen, aber in der Gesellschaft bleiben will.

   

Zwar ist der Gesellschafter zwar im Allgemeinen nicht verpflichtet, einem auf sein Ausscheiden gerichteten Beschluss der Gesellschafterversammlung zuzustimmen. Der BGH geht davon aus, dass sich in besonders gelagerten Ausnahmefällen für jeden einzelnen Gesellschafter aus der gesellschafterlichen Treuepflicht etwas Abweichendes ergeben kann. Eine Zustimmungspflicht kommt danach in Betracht, wenn sie mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder auf die bestehenden Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander dringend erforderlich ist und die Änderung dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen Belange zumutbar ist. Die Verpflichtung eines einzelnen Gesellschafters, einer notwendig gewordenen Änderung zuzustimmen, ist daher anzunehmen, wenn dem schützenswerte Belange des einzelnen Gesellschafters nicht entgegenstehen.

  

Der Gesellschaftsvertrag bildet die Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht und bestimmt damit auch deren Inhalt und Umfang; der einzelne Gesellschafter ist nur insoweit verpflichtet, wie er es im Gesellschaftsvertrag versprochen hat (BGH, Urteil vom 25. Januar 2011 - II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 Rn. 21 mwN). Der Gesellschaftsvertrag muss jedoch für eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu seinem Ausscheiden aus gesellschafterlicher Treuepflicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen keine ausdrückliche Regelung enthalten. Diese Treuepflicht ist jedem Gesellschaftsverhältnis ohne ausdrückliche Regelung immanent. Ein Gesellschaftsvertrag kann allerdings diese Treuepflicht ausdrücklich oder im Wege der Auslegung konkretisierende Regelungen enthalten, die insbesondere die aus der Treuepflicht folgende Zustimmungspflicht für bestimmte Sachverhalte einschränken oder an weitere Voraussetzungen knüpfen. Enthält ein Gesellschaftsvertrag solche die Zustimmungspflicht einschränkende oder modifizierende Regelungen, dürfen die Mitgesellschafter nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass sie einen Gesellschafter ohne seine Zustimmung ausschließen können. Erlaubt das eingegangene Gesellschaftsverhältnis insoweit keine berechtigte Erwartungshaltung gegenüber einzelnen Gesellschaftern, besteht auch keine Treuepflicht, diese zu erfüllen.

 

 

 

Solange der Gesellschaftsvertrag, wie hier - anders als im Fall der BGH-Eentscheidung vom 25. Januar 2011 (II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 ff.) - keine die Erwartungshaltung der sanierungswilligen Gesellschafter einschränkende Regelung bezüglich der Zustimmung der nicht sanierungswilligen Gesellschafter zu ihrem Ausscheiden enthält, bleibt es vielmehr bei dem Grundsatz, dass die gesellschafterliche Treuepflicht in jedem Gesellschaftsverhältnis auch ohne entsprechende Regelung ergeben kann, dass die Gesellschafter in besonders gelagerten Ausnahmefällen verpflichtet sind, einem ihre Gesellschafterstellung aufhebenden Beschluss der Gesellschafterversammlung zuzustimmen.

 

 

 

BGH, Urteil vom 02.12.2014

 

Az.:     II ZR 322/13

 

GmbHG §§ 34, 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG

 

Der Beschluss über die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils ist nicht deshalb nichtig, weil die Gesellschafterversammlung nicht gleichzeitig Maßnahmen ergriffen hat, um ein Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der nach der Einziehung verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital der Gesellschaft zu verhindern.

 

 

OLG Stuttgart: Urteil vom 30.9.2013

Az 5 U 50/13

BGB § 179

Fachgebiet: Gesellschaftsrecht

Geschäftsführerhaftung als falsus procurator (Vertreter ohne Vertretungsmacht) analog § 179 BGB bei Handeln für eine nicht bestehende juristische Person

Das OLG Stuttgart hatte folgenden Fall zu entscheiden: Ein Geschäftsführer einer existenten GmbH erweckte über Jahre hinweg im Rechtsverkehr den Eindruck erweckte, dass es neben der GmbH gäbe noch eine AG gäbe, die in Wirklichkeit nicht existierte. Das OLG hatte zu entscheiden, ob diese Rechtsgeschäfte als unternehmensbezogenes Geschäft der GmbH zuzurechnen sind oder ob der vermeintliche Vorstand der nicht existenten AG nach den Grundsätzen der Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht haftet. Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass der vermeintliche Vorstand als Vertreter ohne Vertretungsmacht analog § 179 BGB für die vermeintlich für die AG abgeschlossenen Rechtsgeschäfte haftet. Das Handeln des vermeintlichen Vorstands der nicht existenten AG ist somit nicht der GmbH als unternehmensbezogenes Geschäft zuzurechnen.

 

BGH, Urteil vom 16.07.2012 

Az. II ZR 55/11 

AktG § 84 Abs. 1

Fachgebiet: Gesellschaftsrecht

 

Vorzeitige Wiederbestellung eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft ist grundsätzlich zulässig.

 

Nach einem Urteil des BGH durfte der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, an der zwei Familienstämme beteiligt sind, bereits zweieinhalb Jahre vor dem eigentlichen Auslaufen der Bestellung von Vorstandsmitgliedern die unser „einvernehmlicher Aufhebung" ihrer laufenden Bestellung für jeweils fünf Jahre erneut zu Vorstandsmitgliedern zu bestellen, obwohl hierdurch vollendete Tatsachen für den anderen Familienstamm geschaffen werden.

§ 84 Abs. 1 AktG lautet auszugsweise: „Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefaßt werden kann. [...]“

 

Der klagende Familienstamm war der Auffassung, dass in der Bestellung nach einvernehmlicher Amtsniederlegung eine Umgehung des § 84 Abs. 1 AktG zu sehen ist. Außerdem sähe Nr. 5.1.2 des DCGK (Deutscher Corporate Governance Kodex) vor, dass eine Wiederbestellung des Vorstandsmitglieds vor Ablauf eines Jahres vor dem Ende der Bestelldauer bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung nur bei Vorliegen besonderer Umstände erfolgen soll.

 

Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber entschieden, dass eine Wiederbestellung des Vorstandsmitglieds für (höchstens) fünf Jahre nach einverständlicher Amtsniederlegung auch ohne besondere Gründe zulässig ist, da sowohl die Gesetzgebungsgeschichte als auch der Sinn und Zweck des § 84 Abs. 1 AktG diese Möglichkeit zulassen. Sinn und Zweck des § 84 Abs. 1 AktG sei, dass sich der Aufsichtsrat nicht länger als nach § 84 Abs. 1 AktG zulässig bindet und mindestens alle fünf Jahre über die Verlängerung der Amtszeit des Vorstandsmitglieds eine Entscheidung trifft.

 

 

EuGH Urteil vom 12. Juli 2012 – C-378/10, „VALE“

Art. 49 AEUV und 54 AEUV

 

Die grenzüberschreitende Umwandlung als Teil der Niederlassungsfreiheit

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs umfasst die Niederlassungsfreiheit auch die grenzüberschreitende Umwandlung. Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind so auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft nicht zulässt. Bei der Umwandlung kann zwar der Aufnahmemitgliedstaat das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festlegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anwenden (z.B. die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses, Gründungsvorschriften).

 

 

BGH, Urteil vom 25.01.2011, Az. II ZR 196/09

GmbHG § 64 S 1 GmbHG, § 64 S 2

AO, § 69 AO

 

Fachgebiet: Gesellschaftsrecht

 

Keine Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 64 Satz 1 GmbHG, wenn er rückständige Umsatz- und Lohnsteuern an das Finanzamt und rückständiger Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nach Eintritt der Insolvenzreife zahlt

 

In dieser Entscheidung stellt der BGH klar, welche Zahlungen ein Geschäftsführer trotz eingetretener Insolvenzreife der Gesellschaft noch leisten darf. Geschäftsführer haben nach Eintritt der Insolvenzreife nämlich grundsätzlich die Masse zusammen zu halten und dürfen nach § 64 S. 1 GmbHG keinerlei Zahlungen mehr leisten, auf der anderen Seite droht eine Haftung nach §§ 69, 34 Abs. 1 AO. Es besteht somit Interessenkonflikt zwischen der Befolgung der Massesicherungspflicht aus § 64 Satz 1 GmbHG und der Erfüllung der steuerlichen Abführungspflicht.

Der Kläger in diesem Verfahren war der Insolvenzverwalter einer GmbH. Er verlangte von dem Geschäftsführer zwei Zahlungen ersetzt, die dieser zu Lasten des Gesellschaftsvermögens der GmbH an das Finanzamt und die Krankenkasse geleistet hatte. Die Zahlung an die Krankenkasse diente der Begleichung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge. Die Zahlung an das Finanzamt betraf eine Umsatzsteuerschuld.

Der BGH stellte fest, dass die Zahlung an das Finanzamt keinen Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG gegen den Geschäftsführer auslöste, weil diese Zahlung war mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters i.S. des § 64 Satz 2 GmbHG vereinbar war, was der BGH wie folgt begründete:

 

„Wenn der Geschäftsführer einer GmbH - auch nach Eintritt der Insolvenzreife - fällige Umsatzsteuer und Umsatzsteuervorauszahlungen, ebenso wie einbehaltene Lohnsteuer, nicht an das Finanzamt abführt, begeht er eine mit einer Geldbuße bedrohte Ordnungswidrigkeit nach § 26b UStG oder § 380 AO i.V.m. § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG und setzt sich außerdem der persönlichen Haftung gemäß §§ 69, 34 Abs. 1 AO aus (vgl. BFH, Urteil vom 27. Februar 2007 - VII R 67/05, ZIP 2007, 1604 Rn. 16 ff.; Beschluss vom 4. Juli 2007 - VII B 268/06, BFH/NV 2007, 2059 Tz. 6; Urteil vom23. September 2008 - VII R 27/07, ZIP 2009, 122, jeweils zur Lohnsteuer; KG, Beschluss vom 22. September 1997 - 2 Ss 250/97, juris; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: Juni 2004, § 380 AO Rn. 3 ff., jeweils zum Bußgeldtatbestand; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 77). Die dadurch bewirkte Pflichtenkollision hat den Senat bewogen, die Zahlung von Umsatz- oder Lohnsteuer als mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar anzusehen (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 11 f.; Urteil vom 29. September 2008 - II ZR 162/07, ZIP 2008, 2220 Rn. 10).“

  

Der BGH stellte zudem klar, dass der Geschäftsführer nicht nur auf laufende, erst nach Eintritt der Insolvenzreife fällig werdende Steuerforderungen, sondern auch rückständige Steuern bezahlen darf, denn eine freiwillige Nachzahlung der Steuer sei ein Umstand, der bei der Verhängung und Bemessung der Geldbuße jedenfalls nach § 17 Abs. 3, 4 OWiG, § 377 Abs. 2 AO zugunsten des Geschäftsführers zu berücksichtigen sei. Außerdem entfalle mit der Nachzahlung auch die persönliche Haftung des Geschäftsführers nach §§ 69, 34 Abs. 1 AO. Bei dieser Sach- und Rechtslage könne es dem Geschäftsführer nicht zugemutet werden, wegen des Zahlungsverbots aus § 64 Satz 1 GmbHG auf die Möglichkeit zu verzichten, die Voraussetzungen für eine Einstellung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens nach § 47 OWiG oder jedenfalls für die Verhängung einer geringeren Geldbuße zu schaffen und sich von der persönlichen Haftung für die Steuerschuld zu befreien.

Bei der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ist dagegen nach dem BGH zwischen Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberanteile zu unterscheiden. Nur die Zahlung von Arbeitnehmeranteile bei Insolvenzreife zulässig, die Zahlung der Arbeitgeberanteile führt hingegen zu einer Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Satz 1 GmbHG. Nur bei der Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge bestehe nämlich der mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht hinnehmbare Interessenkonflikt zwischen der Massesicherung und der Vermeidung einer Straftat nach § 266a Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB und einer Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB. Der BGH stellt zudem klar, dass der Geschäftsführer auch rückständige Arbeitnehmerbeiträge zahlen darf und muss.

Hinsichtlich der Arbeitgeberanteile fehle es jedoch an einem Interessenkonflikt und damit an einem Grund, den Anwendungsbereich des Zahlungsverbots aus § 64 Satz 1 GmbHG einzuschränken (BGH, Urteil vom 8. Juni 2009 - II ZR 147/08, ZIP 2009, 1468 Rn. 6 f.).

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Claussen: Der Bundesgerichtshof hat mit dieser klarstellenden Entscheidung den Geschäftsführern eine GmbH eine präzise Richtschnur in dem Interessenkonflikt zwischen der Befolgung der Massesicherungspflicht aus § 64 Satz 1 GmbHG und der Erfüllung der steuerlichen Abführungspflicht.

 

 

BGH, Urteil vom 20.09.2010, Az. II ZR 78/09 - DOBERLUG

 

GmbHG, § 64 S. 1

 

Stichwort: „beschränkte“ Haftung der Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH

 

Fachgebiet: Gesellschaftsrecht

 

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 20.09.2010 entschieden, dass die Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH bei einer Verletzung ihrer Überwachungspflicht hinsichtlich der Beachtung des Zahlungsverbots bei Insolvenzreife (§ 64 S. 1 GmbHG) nur dann der Gesellschaft gegenüber ersatzpflichtig sind, wenn die Gesellschaft durch die regelwidrigen Zahlungen in ihrem Vermögen geschädigt worden ist.

 

Aufsichtsratsmitglieder haften hingegen nicht, wenn die Zahlung nur zu einer Verminderung der Insolvenzmasse und damit zu einem Schaden allein der Insolvenzgläubiger geführt hat.

Der der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt betraf Zahlungen der Geschäftsführung, die nach Ansicht des Insolvenzverwalters nach Insolvenzreife entgegen § 64 Satz 1 GmbHG erfolgt waren. Der fakultative Aufsichtsrat der GmbH hatte diese Zahlung zugelassen. Der Insolvenzverwalter machte daraufhin gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern Ersatzansprüche geltend. Das OLG Brandenburg hatte die Haftung wegen der Verletzung der Sorgfaltspflicht bejaht.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs betrifft die Haftung von Mitgliedern eines freiwillig eingerichteten Kontrollgremiums einer GmbH. Die Einrichtung eines Aufsichtsrates ist bei den meisten GmbHs fakultativ. Nur bei einer Überschreitung der Zahlung von 500 Arbeitnehmern nach dem Drittelbeteiligungsgesetz oder der Zahl von 2000 nach dem Mitbestimmungsgesetz ist die Einrichtung eines Aufsichtsrates gesetzlich vorgeschrieben. In der gesellschaftsrechtlichen Praxis wird jedoch in GmbHs ein freiwilliger Aufsichtsrat oder Beirat eingerichtet.

Die Mitgliedschaft in einem freiwilligen Aufsichtsrat birgt das Risiko der Haftung. Dies hat der BGH in seinem Urteil vom 11.12.2006 (Az.: II ZR 243/05) klargestellt. Ihre Haftung ist dabei im Grundsatz vergleichbar zur Haftung von Mitgliedern des Aufsichtsrats einer AG.

Nach dem Urteil des BGH vom 20.09.2010, Az. II ZR 78/09 – DOBERLUG besteht hingegen nur eine eingeschränkte Pflicht zur Verhinderung sogenannter Zahlung nach Insolvenzreife gemäß § 64 GmbHG. Die Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife ist nach unserer Erfahrung in vielen Insolvenzverfahren auf Verwalter und Geschäftsführerseite der schärfste Haftungsanspruch gegen Geschäftsführer und somit ggfs. auch gegen Aufsichtsräte.

In dem Urteil vom 20.09.2010 differenziert der BGH zwischen der Haftung von Vorständen/Geschäftsführern, obligatorischen Aufsichtsräten und fakulativen Aufsichtsräten.

Die Vorstände einer AG bzw. die Geschäftsführer einer GmbH sind grundsätzlich zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach der Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden (vgl. § 92 Abs. 2 S. 1 AktG bzw. § 64 S. 1 GmbHG).

 

Der obligatorische Aufsichtsrat einer AG ist verpflichtet, den Vorstand von Zahlungen nach Insolvenzreife abzuhalten, aber nur wenn er die Insolvenzreife der Gesellschaft hätten erkennen müssen und Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Zahlungsverbot bestehen. Insofern ist jedem Aufsichtsratsmitglied anzuraten, sich in einer sich abzeichnenden Krise laufend über die Liquiditätslage (siehe unter Zahlungsunfähigkeit und 10%-Rechtsprechung des BGH). Eine Haftung besteht daher beispielsweise bei Kenntnis von der Zahlung von Arbeitslöhnen nach Eintritt der Insolvenzreife. Diese Haftung ist jedoch keine Haftung nach der allgemeinen Haftungsnorm des §§ 116, 93 Abs. 2 AktG, da die Aktiengesellschaft durch die Zahlung gleichzeitig von einer Verbindlichkeit befreit wird und daher auch kein Vermögensschaden i.S.d §§ 249 ff. BGB entsteht. Die Haftung besteht jedoch wegen des Schadens der Insolvenzgläubiger, da durch die Zahlung die Masse verringert wird. Diesen Drittschaden stellt das Gesetz in § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG jedoch ausdrücklich einem Schaden der Gesellschaft gleich.

Die Mitglieder eines freiwillig eingerichteten Aufsichtsrats einer GmbH haften nach dem Urteil des BGH vom 20.09.2010, Az. II ZR 78/09 – DOBERLUG nicht für entsprechende Drittschäden. Dies gilt auch, wenn sie ihrer Überwachungspflicht hinsichtlich der Beachtung des Zahlungsverbots aus § 64 S. 1 GmbHG nicht hinreichend nachgekommen sind.

Der BGH begründet diese Auffassung mit dem Wortlaut und Sinn und Zweck des § 52 GmbHG. Dessen Absatz 1 verweist auf die Schadensersatznorm des §§ 116, 93 AktG nur mit der ausdrücklichen Einschränkung „in Verbindung mit § 93 Abs.1 und 2 Satz 1 und 2“. Die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, der die besagten Drittschäden erfasst, wird damit ausgeschlossen. Ferner hat ein freiwilliges Kontrollgremium keine öffentlichen Belange zu wahren, welche über seine ihm von der Gesellschafterversammlung übertragenen Aufgaben hinausgehen. Somit sind dessen Mitglieder auch nicht verpflichtet, die Interessen potentieller Insolvenzgläubiger wahrzunehmen und können für entsprechende Drittschäden auch nicht haftbar gemacht werden.  

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Claussen:

Die Entscheidung des BGH setzt einen Kontrapunkt in der Tendenz zu einer zunehmenden Haftung von Aufsichtsräten. Die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats bzw. Beirats haften somit nur, wenn ihre Nachlässigkeit in der Amtsführung das Gesellschaftsinteresse beschädigt, nicht jedoch bei der Schädigung der Interessen der Gläubiger der GmbH.

Für obligatorisch nach dem Drittelbeteiligungsgesetz oder Mitbestimmungsgesetz zu bildende Aufsichtsräte bleibt es hingegen bei der Haftung für Drittschäden, denn die Bestimmungen dieser Gesetze verweisen auf § 93 AktG im Ganzen.

 

BGH, Urteil vom 16.03.2009, Az. II ZR 280/07

AktG, 92 Abs. 2 Satz 1, 93 Abs. 3 Nr. 6, 116 Satz 1

 

Fachgebiet: Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht

 

Stichwort – Pflicht des Vorstands zur Massesicherung und Schadensersatzanspruch der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Aufsichtsratsmitgliedern

Der Beklagte war Vorsitzender des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft und hat dem Hauptaktionär und Vorstand der AG ein Darlehen in Höhe von 500.000 DM gewährt. Der Vorstand hat diese Summe ebenfalls auf der Grundalge eines Darlehensvertrages an die AG weitergeleitet. Das Darlehen war am 31. Dezember 2001 zur Rückzahlung fällig. Die Gesellschaft zahlte nach Fälligkeit 153.387,56 € an den Beklagten. Zuvor wurden in einer Aufsichtsratssitzung die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft erörtert. Im August 2002 wurde das insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, Der Kläger verlangt nun als Insolvenzverwalter die Rückzahlung des an den Beklagten geflossenen Betrages.

Der BGH hat mit diesem Urteil entschieden, dass das Zahlungsverbot des Vorstands aus dem Gesellschaftsvermögen bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung der Gesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht erst nach Ablauf der längstens dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist, sondern bereits mit Eintritt der Insolvenzreife gilt. Der Kläger habe die Überschuldung und Insolvenzreife der Gesellschaft zum 31. Dezember 2001, also zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Darlehens, ausreichend dargelegt. Auch wenn der Vorstand sich innerhalb der dreiwöchigen Frist um die Sanierung der Gesellschaft bemüht und erst am Ende der Frist den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen muss, so hat er dennoch das Gesellschaftsvermögen innerhalb dieses Zeitraums zu sichern, für den Fall das seine Sanierungsbemühungen erfolglos bleiben. Somit hat die Zahlung an den Beklagten in Höhe von 153.387,56 € gegen die Pflicht des Vorstands zur Massesicherung aus § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG verstoßen.

Der Ersatzanspruch der Gesellschaft gegenüber dem beklagten Aufsichtsratsmitglied ergibt sich aus §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG. Das Zahlungsverbot des § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG richtete sich zwar nur an den Vorstand als geschäftsleitendes Organ der Gesellschaft, gleichwohl treffen den Aufsichtsrat Informations-, Beratungs- und Überwachungspflichten. Es ist seine Pflicht, sich regelmäßig und insbesondere in Krisensituationen ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft zu machen. Stellt das Aufsichtsratsmitglied die Insolvenzreife der Gesellschaft fest, so muss es darauf hinwirken, dass der Vorstand rechtzeitig Insolvenzantrag stellt und keine Zahlungen mehr vornimmt, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht mehr vereinbar sind. Der Beklagte hatte zumindest seit der Aufsichtsratssitzung im Oktober 2001 Kenntnis von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft. Durch die Zahlungen an den Beklagten ist die Insolvenzmasse geschmälert worden, der Beklagte hätte die Schecks nicht einlösen und die Beträge sogleich auf das Gesellschaftskonto zurück überweisen müssen.

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Claussen

Diese Entscheidung des BGH ist vor dem Hintergrund der zunehmend strenger werdenden Haftungsmaßstäbe für Mitglieder eines obligatorischen Aufsichtsrats nicht verwunderlich.

Zu beachten ist außerdem, dass das Aufsichtsratsmitglied beweisen muss, dass es seine Pflichten erfüllt hat bzw. dass ihn an der Nichterfüllung kein Verschulden trifft. Auch der Abschluss einer Directors and Officers Liability Insurance – D&O Versicherung – schützt Aufsichtsratsmitglieder nicht in jedem Fall vor der Inanspruchnahme durch die Gesellschaft. Es besteht ein Ausschluss bei vorsätzlichem Verhalten. Auch wenn der Abschluss einer D&O-Versicherung bei größeren Aktiengesellschaft heute als Standard anzusehen ist, besteht keine Verpflichtung der AG, für ihre Aufsichtsratsmitglieder eine D&O Versicherung abzuschießen.

 

 

BGH, Urteil vom 20.9.2010, Az. II ZR 296/08

 

Fachgebiet: Gesellschaftsrecht

 

Stichwort: Kündbarkeit von Patronatserklärung in der Krise der Tochtergesellschaft

 

GmbH, § 64

 

Nach dem Bundesgerichtshof darf kann ein Kündigungsrecht zugunsten einer Konzernobergesellschaft, die in der finanziellen Krise gegenüber einer Tochtergesellschaft eine Patronatserklärung abgibt, wirksam vereinbart werden. Die bisherigen Grundsätze des Rechts des Eigenkapitalersatzes stehen dem nicht entgegen; diese begründen lediglich das Verbot der Rückholung bereits erbrachter Leistungen, nicht aber die Pflicht zur Zuführung neuer Eigenmittel.

Der Kläger nahm als Insolvenzverwalter eine Enkel-KG die Konzernobergesellschaft bzw. Patronin wegen der aus seiner Sicht unzulässigen Kündigung der "Patronatserklärung" auf Schadensersatz in Höhe der bereits im Rahmen des Insolvenzverfahrens angemeldeten und festgestellten Forderungen und auf Schadensersatzfeststellung im Hinblick auf noch endgültig festzustellende Forderungen in Anspruch.

Die beklagte GmbH hatte sich gegenüber der Insolvenzschuldnerin in der Krise in einer "Patronatserklärung" verpflichtet, im Falle der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit fällige Verbindlichkeiten in dem Umfang zu erfüllen, als dies zur Beseitigung der Insolvenzreife der KG erforderlich ist. Nach einigen Monaten kündigte die Beklagte diese Erklärung und die parallel laufende cash-pool-Abrede, die KG stellte sodann Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das dann auch eröffnet wurde.

Die Beklagte GmbH behauptete in dem Prozess, die Parteien seien sich darüber einig gewesen, dass die Patronatserklärung nur für denjenigen Zeitraum abgegeben worden sei, den die Beklagte zur Überprüfung der Sanierungsfähigkeit der KG benötigen würde. Keinesfalls habe eine "Überlebensgarantie" für die KG über den Zeitpunkt der Feststellung der Sanierungsunfähigkeit bzw. Sanierungsfähigkeit hinaus abgegeben werden sollen.

 

Das LG und OLG haben der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück, damit dieses aufklärt, ob die von der Beklagten behauptete Abrede, in der die Vereinbarung eines Kündigungsrechts liegen kann, tatsächlich getroffen wurde.

Der BGH führte aus, dass ein Recht zur Kündigung einer Patronatserklärung wirksam vereinbart werden kann. Auch die im Streitfall noch anzuwendenden Grundsätze des Rechts des Eigenkapitalersatzes stehen dem nicht entgegen, denn diese begründen nur das Verbot der Rückholung bereits erbrachter Leistungen, nicht aber die Pflicht zur Zuführung neuer Eigenmittel.

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Claussen: Die Patronatserklärung und qualifizierte Rangrücktritte stellten in der Praxis schon immer ein probates Mittel zur Beseitigung der Überschuldung und damit der Insolvenzantragspflicht dar. Dass bei der Vereinbarung einer Patronatserklärung ein Kündigungsrecht vereinbart werden kann, ist Ausfluss der Privatautonomie. Zu klären ist jedoch, ob eine kündbar ausgestaltete Patronatserklärung, also eine ohne „Überlebensgarantie“ überhaupt eine bestehende Überschuldung beseitigt. Dies ist zumindest zweifelhaft.

 

 

BGH Urteil vom 20.9.2010, Az. II ZR 78/09

 

Fachgebiet: Gesellschaftsrecht

 

Stichwort: Differenzierendes Urteil zur Schadensersatzpflicht der Mitglieder eines fakultativen GmbH-Aufsichtsrats wegen Verletzung der Überwachungspflicht

GmbHG, § 64, § 52; AktG §§ 93 Abs. 2, 116

 

Der Bundesgerichtshofs hat nunmehr für Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH, welche ihrer Überwachungspflicht hinsichtlich der Beachtung des Zahlungsverbots aus § 64 Satz 1 GmbHG verletzten, entschieden, dass diese nur dann der GmbH gegenüber nach § 93 Abs. 2, § 116 AktG, § 52 GmbHG ersatzpflichtig sind, wenn die Gesellschaft durch die regelwidrigen Zahlungen in ihrem Vermögen i.S. der §§ 249 ff. BGB geschädigt worden ist.

Eine originäre Haftung der Aufsichtsratsmitglieder für sogenannte „Zahlungen nach Insolvenzreife“ besteht hingegen nicht. Dieser Anspruch, der in der Praxis als haftungsträchtigster Anspruch gegen GmbH-Geschäftsführer anzusehen ist, soll lediglich eine Verminderung der Insolvenzmasse und einen Schaden allein der Insolvenzgläubiger ausgleichen.

 

Anmerkung Rechtsanwalt Dr. Claussen: Diese Entscheidung führt zu einer deutlichen Verringerung der Haftungsrisiken für Aufsichtsratsmitglieder eines fakultativen Aufsichtsrates einer GmbH. Der Anspruch auf Erstattung von sog. „Zahlungen nach Insolvenzreife“ findet auf sie keine Anwendung.

 

Ergänzende Regeln für ­gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der DIS

Die ergänzende Regeln für ­gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. sind  seit Januar 2010 in englischer Sprache auf der Internetseite der DIS abrufbar. Sie heißen "Supplementary Rules for Corporate Law Disputes – SRCoLD". 

 

BGH, Urteil vom 19.10.2009, Az. II ZR 255/08, SCHIEDSFÄHIGKEIT II

 

Fachgebiet: Gesellschaftsrecht

 

Nach diesem Urteil des BGH sind Beschlussmängelstreitigkeiten im Recht der GmbH auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Wirkungen der §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich kraft einer dies analog im Gesellschaftsvertrag festschreibenden Schiedsvereinbarung oder einer außerhalb der Satzung unter Mitwirkung aller Gesellschafter und der Gesellschaft getroffenen Individualabrede "schiedsfähig", sofern und soweit das schiedsgerichtliche Verfahren in einer dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gleichwertigen Weise  - d.h. unter Einhaltung eines au dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Mindeststandards an Mitwirkungsrechten und damit an Rechtsschutzgewährung für alle ihr unterworfenen Gesellschafter - ausgestaltet ist (Abweichend von BGHZ 132, 278 "Schiedsfähigkeit I").

 

 

Anm. Rechtsanwalt Dr. Claussen:  Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum  wird seit Jahren darüber gestritten, ob in der GmbH über mit den Wirkungen der §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG ausgestattete Beschlussmängelklagen auch von privaten Schiedsgerichten entschieden werden dürfen. In der Entscheidung SCHIEDSFÄHIGKEIT I hatte der BGH im Jahre 1996 die Entscheidung von Beschlussmängelklagen noch abgelehnt, nunmehr hat er entschieden, dass die Schiedsfähigkeit besteht, wenn bestimmt rechtsstaatliche Voraussetzungen erfüllt sind.

 

Es bedarf einer gültigen Schiedsabrede, einer Beteiligungsmöglichkeit für jeden Gesellschafter, eine neutrale Schiedsrichterauswahl und einer Zuständigkeitskonzentration bei einem privaten Schiedsgericht.

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